Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
das Rätselraten an der Reihe: Bei wem mag sich das Objekt befinden? Einzig der Anführer hat das Recht, die Diskussion mit einer Entscheidung zu beenden, und er darf nur auf eine einzige Hand zeigen. Findet sich der »Jenkins« nicht, dann feiert man einen lauten Triumph auf der Seite, die ihn versteckt hält, und alles beginnt von vorne. Wurde aber der Gegenstand entdeckt, dann wandert der Ring oder die Münze hinüber zu den Siegern, sie werden nun den »Jenkins« verstecken, und die anderen sind an der Reihe zu raten.
    Magda lieh ihren Ring für das Spiel aus. Lili hatte die Führung auf einer Seite bereits eigenmächtig übernommen; bei der anderen Partei fiel die Wahl auf Bálint.
    Die beiden saßen also einander gegenüber. Das Mädchen trug ein leichtes, eher kurzes Sommerkleid mit sehr breiten Ärmeln. Zahllose, von Stickereien gesäumte kleine Löcher schmückten den Stoff; die rosarote Haut des Mädchens schimmerte durch die winzigen Öffnungen hindurch, sie ließ sich an den Armen und den Schultern selbst hinter dem Weiß des dünnen Gewands ahnen. Eine schlau erdachte Kleidung, bestimmt einzig für junge Mädchen, sie wirkte beinahe noch kindlich, jungfräulich weiß und doch wohl verführerischer als ein aufrichtiges Dekolleté. Bálint beachtete das lange nicht. Allmählich aber, wenn Lili immer wieder die Hände hob, um den Ring vorzuzeigen und die breiten Stulpenärmel an ihren nackten Armen jedes Mal zurückglitten, begann ein berückender Zauber zu Bálint hinüberzuströmen. Als säße das Mädchen ihm gegenüber in ihrem Hochzeitshemd, als trüge sie nichts außer diesem leichten Batiststoff. Und mit einem erwartungsvollen Lächeln um die Lippen, mit fragenden Augen blickte sie ihn an. Ihn dünkte, er begegne da keinem Spiel, sondern dem unbewussten weiblichen Ruf und Willen. Ihre Blütenhaut, ihr geheimes Parfüm, die sich leicht öffnenden Lippen, das duftige Kleid, das die begehrenswerten Hügel ihres Busens betonte, all dies hatte doch mit Spiel nichts zu tun, vielmehr waren es die ewigen Köder, die ewigen Waffen des weiblichen Instinkts. Er fühlte sich schuldig, dies bemerkt zu haben. Schuldig, weil das Verlangen in ihm erwacht war. Und doch vermochte er sich davon, solange sie das kindische Spiel fortsetzten, trotz allem Gelächter und Scherz nicht zu befreien.

    Dies war die einzige Begebenheit, die ihn für eine kurze Stunde aus der Erwartung herausriss, der seine ganze Aufmerksamkeit galt. Wann würden Nachrichten von zu Hause eintreffen? Was geschah in Almáskő? Anderes interessierte ihn nicht.
    Politische Ereignisse vermochten auf ihn keinen Einfluss auszuüben. Im Winter noch hatten die Kriegsgefahr und der Kummer um das Schicksal des Landes die Fragen nach der eigenen Zukunft oft in den Hintergrund gedrängt. Doch jetzt verhielt es sich anders. Die kleinen Einzelheiten der innenpolitischen Krise, dass Wekerle um seine endgültige Entbindung vom Amt bat, Lukács seinen Auftrag zurückgab, der König die Koalitionsregierung neu ernannte, dass sich Kossuth und Gyula Justh abermals überwarfen, ja selbst die Nachrichten aus dem Ausland, Greys Exposé, der bedrohliche Ausbau der englischen Flotte, der um Fürst Eulenburg ausgebrochene Skandal, Bülows Rücktritt – all das war dermaßen bedeutungslos und nebensächlich, dass es an ihm spurlos vorüberging.

    Seine Unruhe um Adrienne wuchs aber mit jedem Tag, der verstrich. Gemäß dem letzten Brief war der Besuch des sächsischen Arztes in Almáskő in diesen Tagen fällig. Möglich, dass auch Absolon hinreise. Jetzt also würde es zu der so schwer erwarteten Entscheidung kommen. Das Beste wäre, jetzt nach Hause zu fahren, in der Nähe zu sein, um die Nachrichten gleich zu vernehmen und notfalls Adrienne beistehen zu können. Mit seinem Wagen könnte er sich rasch bei ihr einfinden, sie mitnehmen und sogar verstecken, wenn sie vonseiten ihres Mannes eine Gefahr bedrohen sollte. Er wollte bereitstehen und gleich zur Hand sein, wie sich die Dinge auch immer entwickelten.
    Am 9. Juli reiste er folglich heim. Er hatte den endgültigen Beschluss jäh am späten Nachmittag gefasst. Ein Telegramm nach Dénestornya hätte er schon vergeblich aufgegeben, es wäre nicht mehr rechtzeitig angekommen. Einerlei, beim Bahnhof in Aranyosgyéres würde sich bestimmt ein Fuhrmann finden, der ihn nach Hause brächte. Etwa um acht Uhr morgens stieg er aus dem Schlafwagen. Der Zug indessen fuhr nicht weiter wie gewöhnlich, sondern wartete auf einem

Weitere Kostenlose Bücher