Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
nagen. Und ich spürte auch, dass Janie meine Entscheidung missbilligte. Sie wollte einfach nicht kapieren, dass uns keine Wahl blieb.
»Ich geh wohl besser mit Carl mit«, meinte Texas Slim. »Wenn man kleinen Jungs nicht auf die Finger sieht, stellen sie meistens irgendwas Blödes an.«
Ich seufzte und lehnte mich gegen den Wagen. Manchmal hatte ich das Gefühl, der Drahtzieher zu sein, manchmal aber auch den Eindruck, an den Drähten anderer zu hängen. Janie sah mich mit undurchdringlicher Miene an.
»Wenn sich die beiden die Frau vornehmen, kann sie uns vielleicht wenigstens sagen, wo wir ein fahrtüchtiges Auto herbekommen«, bemerkte ich.
»Ach ja? Wollt ihr sie euch etwa deshalb schnappen?«
Ich zündete mir zur Beruhigung meiner Nerven eine Zigarette an. Und wohl auch deshalb, weil ich Janie sonst vielleicht eine Ohrfeige verpasst hätte. »Jetzt hör mir mal zu, Janie. Tu mir einen Gefallen und steck dir deine verdammte Moral und Ethik sonst wohin, ja? Wir befinden uns nämlich mitten in einem Krieg, falls du das noch nicht gemerkt haben solltest. Wir kämpfen ums Überleben. Glaubst du etwa, da schert mich irgendeine verrückte Zicke, die uns umbringen will? Nein, sie kümmert mich einen Dreck. Was mich kümmert, ist unsere Gruppe. Texas, Carl, du und ich, Gremlin. Und wenn die Frau sterben muss, damit wir überleben, dann ist das eben so, weil’s nicht anders geht. Glaubst du etwa, dieser Frau liegt irgendwas an uns?«
Selbstverständlich wollte Janie etwas entgegnen, aber im Gebäude gegenüber war jetzt eindeutig das Stakkato von Carls Kalaschnikow zu hören. Und er ballerte nicht wie irgendein Cowboy herum, sondern schoss gezielt. Gab aus der Automatik zwei schnelle Salven mit je drei Schüssen ab. Danach war alles still.
»Na ja, entweder hat er die Frau erwischt oder sie ihn«, meinte Gremlin.
Während wir abwarteten, lastete die Stille schwer auf uns. Wir sahen zu dem Gebäude hinüber und lauschten darauf, wie der Wind durch die verlassene Straße wirbelte und alles ringsum leise knackte und ächzte. Über uns krächzten irgendwelche Vögel.
Ich drückte meine Zigarette aus. »Wo zum Teufel stecken die beiden?«
Als sie schließlich auftauchten, stießen sie die Frau vor sich her. Nachdem Carl sie vor die Tür geschoben hatte, packte Texas sie am Arm und zerrte sie die Straße entlang. Ich schätzte sie auf Mitte 20. Sie war groß, hatte lange Arme und Beine und wirkte sehr attraktiv. Sonnengebräunt und körperlich fit. Die ganze Zeit über fluchte und schimpfte sie laut und versuchte, Widerstand zu leisten. Aber Texas Slim und Carl hatten ihr die Arme wohlweislich mit Streifen zerfetzter Laken auf dem Rücken gefesselt, was ihr keineswegs gefiel.
Nachdem die drei bei uns angelangt waren, stieß Carl die Frau zu Boden, wo sie sich so lange wand, bis sie zumindest auf die Knie kam. »Du verdammtes Arschloch!«, schrie sie Carl an. »Hab dir doch gesagt, dass ich mitkomme. Hör endlich auf, mich herumzustoßen, du Wichser!«
»Wir haben sie auf dem Gang erwischt. Wollte gerade türmen. Doch ich hab sie zum Bleiben überredet.«
Sie trug abgeschnittene Jeans und ein vorne bedrucktes gelbes T-Shirt, auf dem das Krümelmonster aus der Sesamstraße mit hochgerecktem Mittelfinger zu sehen war. FRESST SCHEISSE stand in Großbuchstaben darüber. Was wohl recht genau die Gefühle ausdrückte, die diese Frau für Carl und Texas hegte.
Als Carl ihr eine Hand auf die Schulter legen wollte, fuhr sie zurück und spuckte ihn an. Er lachte nur.
»Beruhige dich«, sagte ich zu ihr. »Wir gehören nicht zu den Verrückten. Wir werden dir nichts tun.«
»Selbstverständlich nicht, das sehe ich euch doch an«, gab sie ironisch zurück.
» Du hast mit dem Schießen angefangen, nicht wir, Süße«, rief Texas ihr ins Gedächtnis.
Vom Boden aus starrte sie uns mit weit aufgerissenen dunklen Augen an, die weißen Zähne so gefletscht, als wollte sie uns anknurren. Doch nach und nach entspannte sie sich ein bisschen. Zwar atmete sie immer noch schwer, verhielt sich aber nicht mehr so wild wie eine Raubkatze.
Durch die Risse in ihrem T-Shirt konnte ich einen Streifen ihres flachen Bauches und den gepiercten Nabel sehen. Ich holte eine Wasserflasche aus meinem Rucksack, gab ihr zu trinken und räusperte mich. »Die beiden haben ... äh ... dir doch nichts angetan, oder?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich heiße Nash«, sagte ich und stellte kurz auch die anderen vor.
Sie leckte sich über die Lippen.
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