Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
andere Dinge, und ich wollte nicht darüber nachdenken. Wollte mich durch nichts von dem ablenken lassen, was in den Trümmern und Ruinen lauern mochte. In der Luft lag der Gestank jüngst Verstorbener. Fliegen summten in Schwärmen herum, Aaskrähen kreisten hoch über unseren Köpfen. Drei oder vier Autos, deren Motor noch warm war, brannten.
Wenig später stießen wir auf ein junges Paar, das mit gespreizten Armen und Beinen auf dem Pflaster lag. Die nackten, bleichen Körper waren über und über mit Blut besudelt. Jemand hatte die beiden enthauptet, aber die Köpfe waren nirgendwo zu sehen. Über den Halsstümpfen hatten sich Schwärme von Fliegen gesammelt. Mir drehte sich fast der Magen um, als mir auffiel, dass ein Teil des Blutes von Verstümmelungen stammen musste, die man dem Pärchen vor ihrer Enthauptung zugefügt hatte. Zugleich hatte ich eine unbändige Wut im Bauch, die mit jeder Minute wuchs.
Wir umrundeten einen Pritschenwagen, der immer noch loderte und den penetranten Gestank von brennendem Gummi, Kunststoff und Öl verbreitete. Der Rauch verband sich in der Luft zu Spiralen, während sich am Boden Nebel wie ein feuchtes Leichentuch gesammelt hatte.
»Oh Gott«, seufzte Janie.
Auf dem Gehweg vor uns lag ein ganzer Stapel von Leichen, alle nackt. Man hatte sie aufgeschlitzt, zerhackt und ausgeweidet und so aufs Pflaster geworfen, dass sie einen einzigen Haufen aus blutigen Gliedmaßen und blind starrenden Gesichtern bildeten. Die Augen und Nasen waren herausgeschnitten, und die blutenden Münder bezeugten, dass man ihnen auch die Zähne herausgerissen hatte. Außerdem waren alle auf brutalste Weise skalpiert worden.
»Das waren diese verfluchten Clans«, sagte Carl.
Er hatte recht: Stets skalpierten die Kriegsbeil-Clans ihre Opfer. Es ging das Gerücht, dass sie diese Skalps sogar als Gürtelschmuck trugen. Nur sie veranstalteten, wenn sie durch ein neues Gebiet zogen, ein so furchtbares Gemetzel. Auch die Krätzekranken und die anderen Spinnerbanden waren gewalttätig und blutrünstig, aber sie gingen nicht so systematisch und – auf hinterhältige Weise – einfallsreich vor. Die Kriegsbeil-Clans verhielten sich, genau wie Sean gesagt hatte, wie eine vorpreschende Armee von Ameisen, töteten und zerstörten alles auf ihrem Weg.
Ich wusste nicht viel über sie, nur, dass sie grausame und unglaublich gestörte Menschen waren, die stets in großen Horden auftraten – wie Heuschreckenschwärme, die über ein Feld herfallen. Mir war nicht klar, was sie zusammenhielt, ob irgendetwas Religiöses oder Gesellschaftliches sie miteinander verband oder nur der Wahnsinn.
Jedenfalls hatten sie sich zu einem Stamm zusammengetan und lebten jetzt wie urzeitliche Menschen. Mir war zu Ohren gekommen, dass sie alle von irgendeinem gefährlichen Pilz infiziert waren. Das mochte einiges erklären. Doch davon mal abgesehen, waren sie nicht nur finstere Gestalten, sondern zudem schlau. Sie lockten einen gern in einen Hinterhalt und nahmen es dabei sogar in Kauf, ein paar Leute aus den eigenen Reihen zu opfern. Gaben ihren Opfern gern das Gefühl, sie hätten die Oberhand, um sich dann zu Hunderten auf sie zu stürzen.
Wir alle waren äußerst angespannt. Abgesehen von den radioaktiven Kindern und den Fieberseuchen konnte nichts und niemand solches Entsetzen verbreiten wie diese Clans.
Wenig später kamen wir an einem Sedan vorbei, auf dessen Motorhaube sechs Köpfe – vor allem Frauenköpfe – eine Art Kreis bildeten. Auf jeder Stirn prangte ein mit Blut gemaltes Symbol. Kurz darauf entdeckten wir vor einem Mietshaus zwei Männer, denen man alle Gliedmaßen abgehackt hatte. Danach hatte jemand mit einem ausgeprägt perversen Sinn für Humor die Rümpfe und Glieder wieder in eine korrekte anatomische Ordnung gebracht, nur dass sie nicht mehr miteinander verbunden waren. Eine Frau hatte man mit den Füßen an einem Straßenschild aufgehängt, sodass ihre Fingerspitzen das Pflaster berührten. Der Täter hatte sie völlig ausgeweidet, ihr die Brüste abgeschnitten, sie skalpiert und ihr die Gesichtshaut abgeschält. Auf ihrem Rücken entdeckten wir die gleichen mit Blut gemalten Symbole, die uns später überall auffielen: auf verstaubten Fensterscheiben, Motorhauben und auch auf Gehwegen, sofern sie nicht von Sand bedeckt waren. Sie ähnelten Runen, was sie noch bedrohlicher wirken ließ.
»Dieses gottverdammte Gary!«, fluchte Carl. »Ist immer schon ein Dreckloch gewesen, hab ich dir ja bereits bei der
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