Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
tot.
Während wir die Straße entlanggingen – Carl für den Fall, dass Probleme auftauchten, mit gezückter Waffe ein Stück vor uns – entwickelte ich eine gewisse Gelassenheit. Natürlich war ich nicht gerade stolz auf das, was wir heute Abend getan hatten, aber wir atmeten noch, waren immer noch am Leben. Und wir würden auch weiterhin überleben, würden uns durch den kommenden Tag und den danach kämpfen.
Trotzdem beunruhigten mich die Fragen, wo wir uns in dieser Nacht verkriechen und wo zum Teufel wir morgen ein Fahrzeug besorgen sollten. Die meisten Wagen waren entweder kaputt, vielleicht auch ausgeschlachtet, oder sie hatten leere Batterien. Aber um nach Westen zu ziehen, brauchten wir unbedingt ein Fahrzeug.
»Diese Tür ist offen«, rief Texas schließlich. Er stand vor dem Eingang eines Tattooladens, der FARBIG UND GEFÄHRLICH hieß. Aber wir waren ja nicht wählerisch.
»Mach schon, Carl«, sagte ich ungeduldig. Immer noch suchte Carl mit dem Lauf seiner AK-47 die Straßen ab und hielt nach irgendwelchen Gegnern Ausschau. Das tat er immer.
Nachdem wir im Gänsemarsch ins Haus gegangen waren, sperrte ich die Tür ab und ließ die Jalousie vor dem Fenster hinunter. Der Raum war eng, hatte aber wenigstens eine Hintertür, die zu einer Gasse führte. Im Notfall würden wir also schnell flüchten können. Wir rollten unsere Schlafsäcke aus. Während die Jungs rauchten, versuchte ich Janie dazu zu bringen, sich wieder normal zu verhalten. Doch nach dem, was im Park passiert war, wollte sie nicht mehr mit mir reden und zog sich völlig in sich selbst zurück. Was wir jener Frau angetan hatten und wem wir sie geopfert hatten, das hatte Janies Gefühle in jeder Hinsicht verletzt. Allerdings machte mir das nicht viel aus. Ich wusste nur, dass diese Sache erledigt war – aus und vorbei. Wir hatten ein Opfer dargebracht und uns damit Sicherheit erkauft. Zumindest für einen Mondzyklus. Bis es wieder Vollmond war.
Denn dann würde das Schattengebilde wieder mit leerem Bauch vor der Tür stehen und bei uns anklopfen.
3
Als Carl mich wachrüttelte, kam es mir so vor, als hätte ich mich gerade erst hingelegt. »Nash«, sagte er, »komm schon, Nash, wach auf, verdammt noch mal! Wir haben Probleme.«
»Probleme?«
»Ich glaub, da draußen ist jemand. Eigentlich bin ich mir sogar sicher.«
Ich stieg aus dem Schlafsack und blickte aus dem Fenster, konnte jedoch nichts Ungewöhnliches entdecken. Die Straße war völlig leer – bis auf die vor sich hin rottenden Autowracks. Manche standen am Randstein, andere auf dem Gehweg, einige waren auf der Straßenseite gegenüber direkt in die Schaufenster gekracht. »Sieht doch ganz friedlich aus«, meinte ich.
»Ich glaub, uns hat jemand verfolgt.«
Noch immer konnte ich nichts Auffälliges erkennen.
»Irgendjemand oder irgendetwas hat uns beschattet, das weiß ich einfach. Und jetzt lauert es da draußen.«
Carls Vorahnungen trafen nicht immer ins Schwarze, aber in gefährlichen Situationen verfügte er meistens über eine verdammt scharfe Wahrnehmung. Als ich die Straße beobachtete, sah ich zwar nichts Auffälliges, hatte aber das seltsame Gefühl, selbst unter Beobachtung zu stehen, sodass sich mir die Nackenhärchen aufstellten.
Jetzt kroch auch Sean aus seinem Schlafsack und streckte sich. »Wie zum Teufel soll ich schlafen, wenn ihr beide dauernd quasselt?«, motzte er.
»Jemand beobachtet uns«, gab Carl zurück.
»Das meinst du doch immer. Leg dich hin, verdammt noch mal. Steck dir einen Tampon ins Ohr und zieh dir ein bisschen Stoff rein, du Weichei.«
Fast hätte Carl ihm mit dem Gewehrkolben eins übergezogen – es wäre nicht das erste Mal gewesen –, aber ich ging wie immer dazwischen. Ständig stritt sich Carl mit Sean oder Texas. Man konnte ihn leicht auf die Palme bringen, und das wussten sie. Er verstand einfach keinen Spaß und war einer dieser Kerle, die eine Zielscheibe auf dem Rücken tragen.
Als ich erneut durchs Fenster spähte, meinte ich jemanden hinter einem Wagen abtauchen zu sehen. Aber vielleicht hatte ich mir das auch nur eingebildet. Meine Augen waren immer noch vom Schlaf verklebt. Der Mond über den Gebäuden war eindeutig weiter über den Himmel gewandert, ich musste Stunden geschlafen haben.
Ich hatte meinen Kopf gerade vom Fenster weggezogen, als der erste Schuss fiel. Eine Kugel durchschlug die Scheibe und zischte an meiner Wange vorbei. Musste ein schweres Kaliber sein, denn sie riss nicht nur ein sauberes Loch ins
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