Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
plötzlich zu sich, brüllt irgendwas und knallt mir eine Bierflasche ins Gesicht. War ’ne richtig gemeine Schlampe, diese Trixie.« Er lachte. »Jedenfalls war das damals in Sturgis. Den ganzen Tag über hatten wir getrunken und Shit geraucht. Trixie und ich sitzen also an der Theke, kippen einen Wild Turkey nach dem anderen und gehen einander an die Gurgel, so wie immer. Und plötzlich sagt dieser riesige Kerl neben uns – kann sein, dass er zu den Outlaws oder zu den Pagans gehörte: He, wie viel willst du für deine Frau? Und ich darauf: Willst du dieses Dreckstück etwa kaufen? Und er: Klar doch, wie viel willst du? Einen Dollar, sage ich. Also gibt er mir den Dollar, schnappt sich Trixie, während sie mich anschreit – und das ist das Letzte, was ich von ihr sehe.«
»Und weiter? Was ist passiert?«, wollte Texas Slim wissen. »Hat der Kerl sie umgebracht?«
Sean zog an der Zigarette. »Quatsch, nichts dergleichen. Gegen drei Uhr morgens taucht sie wieder in unserer Absteige auf, völlig verdreckt und mit zerrissenen Klamotten, und ich sag: He, Babe, wie war’s denn so? Da hat sie mich fast zusammengeschlagen. Am nächsten Tag spaziert dieser riesige Rocker zu mir herüber und sagt: Ich will meinen Dollar zurück. Und ich darauf: Sie war wohl echt mies, wie? Das findet er aber überhaupt nicht komisch. Sagt: Du Arschloch bräuchtest eigentlich ’ne Genehmigung dafür, solche Giftschlangen zu verkaufen.« Sean seufzte. »Tja, diese Trixie war schon ’ne irre Nummer. Das Letzte, was ich von ihr gehört hab, war, dass man sie wegen Drogenbesitz im Staatsknast von Utah eingebuchtet hat.«
Wieder lachten alle, bis auf Janie. Sie mochte solche Geschichten nicht. Natürlich war die Situation heute auch ganz anders als damals. Um zu überleben, musste man eng zusammenbleiben, konnte nicht einfach wie in den früheren Zeiten mit den Jungs in irgendeiner Höhle versacken und die Zeit damit totschlagen, einander scharfe Geschichten zu erzählen und über Titten zu quatschen. Wenn du heute das Glück hattest, eine Frau zu haben, dann musstest du an ihrer Seite bleiben, und sie an deiner.
»Wir machen uns wohl besser auf den Weg, Nash«, meinte Carl. »Ich bin nicht gern im Dunkeln hier draußen.«
Wir schnallten die Rucksäcke auf, durchquerten Island Park mit gezückten Waffen und behielten dabei die dunklen Winkel im Auge, in denen sich sonst was verbergen konnte. Aber uns fiel nichts auf. Schließlich gelangten wir zum Jackson Boulevard, überquerten die Brücke und den Waterfall Drive und wählten die Abkürzung über die South Main. Wir brauchten dringend einen Ort zum Übernachten, denn wir waren alle todmüde. Normalerweise besorgten wir uns lange vor dem Sonnenuntergang irgendein Nachtquartier, aber heute waren wir zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen.
»Überprüf mal ein paar Türen«, forderte ich Texas Slim auf. »Wir müssen uns hier irgendwo aufs Ohr hauen.«
Er tat es, aber alle Türen waren verschlossen. Natürlich hätten wir einfach irgendwo einbrechen können, aber der Lärm hätte zu viel Aufmerksamkeit erregt. Außerdem: Was hätte uns eine gewaltsam aufgebrochene Tür, die nur noch lose in den Angeln hing, überhaupt gebracht? Ich wollte ein Nachtquartier, das wenigstens ein bisschen Schutz vor dem bot, was da draußen im Dunkel lauerte.
»Schade, dass keiner von uns ein Flugzeug lenken kann«, bemerkte Sean. »Auf dem Flugplatz stehen jede Menge herum. Vielleicht sollte ich’s mal ausprobieren, Nash.«
»Ach halt die Klappe«, fuhr Janie ihn an.
Der Vollmond strahlte sehr hell; in diesem Licht funkelte die Hauptstraße, die sich vor uns weit in die Ferne erstreckte, wie ein kosmisches Phänomen. Es herrschte Totenstille, und die ganze Umgebung wirkte surreal. All diese leer stehenden Häuser und Geschäfte auf jeder Straßenseite, all die am Randstein abgestellten Fahrzeuge. Hätten nicht überall Skelette in den Gossen gelegen, hätte ringsum nicht diese unheimliche Stille geherrscht, man hätte meinen können, es gäbe hier noch Leben. Ein Leben, in dem die Menschen immer noch in den eigenen Betten schliefen, kleine Kinder immer noch ihre Kinderträume träumten und sich alle für einen weiteren Lebenstag ausruhten.
Aber das war Vergangenheit.
Diese Gebäude waren nur Denkmäler eines Lebensstils, der jetzt verschwunden war. Die Hauptstraße sah aus, als hätte man ihr eine Glasglocke übergestülpt. Museal. Sorgfältig für die Nachwelt konserviert, doch längst
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