Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
Kugeln den Bauch eines kleinen Jungen traf, geriet er ins Stolpern und fiel durchs Fenster fast auf mich drauf. Er spießte sich an einer ausgezackten Glasscherbe auf und verbrannte unmittelbar vor meinen Augen. Carl schob den Leichnam nach draußen, damit wir an dem Rauch nicht erstickten.
Etwa zu der Zeit, als die Kinder den Rückzug antraten – mittlerweile loderte die Straße so hell wie der Verbrennungsofen eines Krematoriums –, griff uns jemand von hinten an. Ich hörte Janie aufschreien, jemand stieß Carl und mich zur Seite, und das Nächste, was ich merkte, war, dass die verrückte Frau, die wir in unsere Gewalt gebracht hatten, durch die leere Fensterhöhle sprang, über den Gehweg rollte und wieder auf die Beine kam. Immer noch waren ihre Hände auf dem Rücken gefesselt. Carl lud nach und wollte sie erschießen, aber die Chance bekam er nicht.
Ein halbes Dutzend Kinder fiel über sie her, warf sie mühelos zu Boden, legte ihr die Hände über den Körper und begann sich mit den Fischmäulern an ihr festzusaugen. Die Frau schrie und versuchte die Kinder abzuschütteln, aber das gelang ihr nicht. Sie klammerten sich an ihr fest und setzten sie in Brand, bis sie nur noch ein schwelendes, irre kreischendes Ding war, von dem sich Schleifen verbrannter Gedärme lösten.
Wir schossen mitten durch die Frau hindurch, um die Kinder zu treffen.
Bald darauf standen sie alle in Flammen, schwelten und wanden sich, rollten sich zusammen und verspritzten Fett wie Schinkenspeck in einer heißen Bratpfanne. Einer löste sich im Todeskampf aus der Gruppe und schlurfte fünf, sechs Schritte in unsere Richtung. Dann brach er auf dem Gehweg zusammen und blieb dort zitternd liegen, bis sich sein Körper zersetzte. Vor seinem Ende spuckte er noch eine schwarze, blubbernde Masse aus, dann rührte er sich nicht mehr.
Damit war die Sache gelaufen. Wir hatten einen weiteren Angriff der Kinder überlebt. Keuchend und zitternd blieben wir an Ort und Stelle stehen. 20 oder mehr Kinder lagen auf der Straße, zusammengeschmolzen zu einer schwärzlichen, schwelenden Masse aus Knochen und Körperteilen.
»Das sind wirklich hinterhältige kleine Arschlöcher«, meinte Carl.
»Wir hauen hier besser ab«, sagte Janie und vermied es, auf das Blutbad zu blicken. »Diese Leichen sind immer noch höchst radioaktiv.«
Also gingen wir in den Keller und warteten dort darauf, dass es hell wurde. Viel mehr konnten wir auch nicht tun.
5
An glühend heißen, aber bewölkten Tagen, in denen die Welt in safrangelbem Dunst versank, konnte man die Gefahr nie erkennen, bis sie einen bereits eingeholt hatte. Manchmal erwischten uns die Staubstürme unter freiem Himmel. Es begann immer auf dieselbe Art: mit einer schwer auf uns lastenden, unheimlichen Stille, die die Haut zum Kribbeln brachte. Als Nächstes heulte der Wind auf, erhob seine Totenklage in allen Straßen und umfing die Welt danach mit einem Sturm, der den radioaktiven Staub in jeden Winkel peitschte. Falls man nicht schnell einen Unterschlupf fand, schälte der Sturm einem glatt die Haut ab, und die Strahlung gab einem den Rest, indem sie einen von innen her verbrannte.
Ich hatte einmal miterlebt, wie ein abgerissener Haufen, der die Gossen nach allem Brauchbaren und Essbaren durchsuchte, von einem solchen Sturm überrascht wurde. Diese Leute schafften es nicht mal mehr drei Meter weiter, bis der Sturm ihr Schicksal besiegelte. Nachdem er sich gelegt und der Staub sich verteilt hatte, sodass die Strahlung fast auf normales Maß zurückgegangen war, waren nur noch von Blasen überzogene, verschmorte Leichen übrig, so braun wie altes Schuhleder, von denen übel riechender Rauch aufstieg.
Mal abgesehen davon, dass Gary einen gewissen Schutz vor Staubstürmen bot, war es ein desolater Ort, wie es ein Jahr nach dem Untergang der uns bekannten Welt auch nicht anders zu erwarten war. Der Geigerzähler zeigte 50 Mikroröntgen pro Stunde an – Hintergrundstrahlung, die zwar nicht unerheblich, aber keineswegs lebensgefährlich war. Ansonsten sah es in Gary ähnlich aus wie überall: mit Abfall übersäte, menschenleere Straßen, Autowracks, ausgebrannte Häuser. Und jede Menge Trümmer aus den letzten Tagen der alten Welt, als der Ausnahmezustand erklärt worden war und die Armee versucht hatte, alle privaten Milizen auszuschalten.
Natürlich war Gary auch nicht schlimmer als jede andere Stadt, aber ich war nicht dafür, hier lange herumzuhängen, und die anderen auch nicht. Nur brauchten
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