Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
denn in diesem Moment hob sie die Hände und streckte die Handflächen wie eine unglückselige Obdachlose vor, die um Almosen für ihre hungernden Geschwister bittet.
Tu’s einfach, du Idiot!
Als ich sie ins Visier nahm, erkannte ich, was sie in Wirklichkeit war: ein Monster. Ein einer Grube mit radioaktivem Abfall entstiegenes glühendes Schreckgespenst. Selbst aus dieser Entfernung konnte ich die Augen sehen. Vielleicht sogar allzu gut, denn sie hatten eine fast hypnotische Wirkung auf mich. Und sie wirkten keineswegs menschlich, sondern so, als starrte irgendetwas Glänzendes, Glasiges, Silber-Gelbes aus ihnen heraus. So, als hätte jemand schillernde Opale in die Augenhöhlen eines Totenschädels eingesetzt. Aus diesen Augen sprachen nur Tod und Leere. Ich musste dabei an das Vakuum denken, das jenseits des Universums existieren mag.
Ich zögerte viel zu lange.
Ihre Hände sanken hinunter, doch gleich darauf streckte sie eine Hand erneut hoch, um auf mich zu deuten. Dabei öffnete sich der Mund wie ein Fischmaul und enthüllte die winzigen hakenförmigen Zähne, die im Mondlicht aufblitzten. Und dann begann sie zu schreien. Aus dem Mund drang ein schrilles monotones Geräusch, das den sommerlichen Gesängen von Grashüpfern ähnelte, aber so laut war, dass mir die Ohren wehtaten.
Und jetzt tauchten auch die anderen Kinder auf.
Ich hörte, wie sich im Hinterzimmer etwas rührte: Carl und Texas bereiteten sich auf einen Einsatz vor.
Erneut zielte ich, und diesmal drückte ich ab. Die Kugel durchschlug die Fensterscheibe und traf das Mädchen mitten in die Brust, sodass sie nach hinten schwankte und zu Boden fiel. Blut und Gewebefetzen spritzten mehr als fünf Meter über das Pflaster. Wie es bei diesen Kindern stets geschah, verbrannte sie sofort. So als ob das, was in ihr gespeichert sein mochte, sich von potenzieller Energie in kinetische Energie verwandelt hätte. Schon als sie auf dem Pflaster aufschlug, war sie tot und begann wie ein brennender Abfallsack zu schwelen. Gleich darauf schlugen bizarre bläuliche Flammen aus ihrem Inneren und das Fleisch verflüssigte sich mit schrecklichen Knallgeräuschen wie erhitztes Wachs. Nachdem sich der Schädel von dem schwelenden Skelett gelöst hatte, erzitterte es noch kurz und zerfiel dann.
All das ging unglaublich schnell.
Aber inzwischen hatten sich weitere Kinder auf der Straße versammelt. Keine Ahnung, wo sie herkamen. Vielleicht waren sie unter den verrosteten Autowracks hervorgekrochen, vielleicht auch aus der Kanalisation oder Kellerfenstern geschlüpft. Es war ihnen auch zuzutrauen, dass sie Schornsteinen entstiegen waren und sich wie Spinnen an den Backsteinfassaden der Gebäude ringsum heruntergelassen hatten. Jedenfalls standen sie jetzt auf der Straße. Ein ganzes Dutzend, und weitere waren im Anmarsch.
Während sie auf die Vorderseite der Maschinenwerkstatt zurückten, schwatzten sie fröhlich miteinander und kreischten vor Vergnügen. Die Augen funkelten und die Münder öffneten und schlossen sich wie bei Aalen, die nach Luft schnappen. Mit den knochigen Zeigefingern deuteten sie zu mir hinüber und jedes gab dabei dieses hohe, schrille Geräusch von sich, das, wie ich inzwischen wusste, besagte: Da drüben, dort ist er, einer der anderen Art, der Fremde in unserer Mitte. Tötet ihn, tötet ihn, tötet ihn ...
Die zerlumpten Gespenster, deren Haare verfilzt und deren Gesichter zu boshaften Grimassen verzerrt waren, bildeten eine regelrechte Formation.
»Diese Arschlöcher«, hörte ich Carl sagen. »Schon wieder diese gottverdammten Gören!«
Er schlug die Überreste der Fensterscheibe weg. Texas war bereits an meiner Seite, in der einen Hand eine Browning .45, in der anderen eine Desert Eagle. Er sah aus wie ein todessüchtiger Guerillero, der seinen Abgang auf die harte Tour, mit rauchenden Colts machen wollte.
Die Kinder, es mochten jetzt 20 oder 30 sein, schwärmten wie Insekten aus und summten erneut diesen schrillen Ton, während sie vorwärtshüpften, -sprangen, -glitten.
Ich mähte drei von ihnen nieder, Texas vier weitere. Carl halbierte zwei beinahe. Es brach wirklich die Hölle los: Von den Sterbenden stiegen dichte Aschewolken und öliger Rauch auf, und die Lebenden stürmten über sie hinweg vorwärts.
Doch keiner schaffte es durch den Kugelhagel.
Einige wenige gelangten bis etwa einen Meter vor unser Fenster, doch dort erwischten wir sie mit Schüssen in den Schädel oder in die Brust. Als ich mit meinen letzten beiden
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