Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
ausdrücken.«
Immer noch dieses verschlagene Lächeln, das ich ihm am liebsten mit einem Schlag aus dem Gesicht gewischt hätte.
»Wann wirst du’s tun, Nash? Wann wirst du das Schattengebilde herbeizitieren? Heraufbeschwören?«
Schlagartig war ich hellwach. Ja, es war tatsächlich an der Zeit, ein Opfer auszuwählen. Aber ich brauchte nicht diesen Wichser dazu, mir das unter die Nase zu reiben. Hin und wieder verdrängte ich die Sache lieber. Tat dann so, als hätte ich eine unbefleckte Seele.
Der Wind hatte sich noch immer nicht gelegt; Staub und Streugut schlugen gegen das Gebäude. Als ich darauf lauschte, spürte ich einen anderen Sturm glühend heiß durch meine Seele fegen.
Janie bemerkte es und sagte irgendetwas, aber ich verstand sie nicht.
Selbst Gremlin fiel auf, dass er soeben eine Grenze überschritten hatte. »Hör mal, ich wollte doch nur ...«
Ich weiß nicht, was mich plötzlich überkam. Jedenfalls ballte ich die Faust und schlug Gremlin auf den Mund. So hart, dass sein Kopf nach hinten fiel, die Lippen gegen die Zähne gedrückt wurden und Blut floss. Ich hatte es nicht mal vorgehabt; es war eine instinktive Reaktion.
»Du blödes Arschloch!«, brüllte ich ihm ins zuckende, blutende Gesicht. »Wir reden nicht darüber! Niemals, verdammt noch mal!«
Gremlin stotterte mit blutbefleckten Zähnen und Lippen eine dumme Entschuldigung und wirkte dabei so dämlich und erbärmlich, dass die Wut in mir wie Lava aufstieg. Glühend heiße Wut. Ich rastete völlig aus und begann einfach draufloszudreschen. Einige Schläge wehrte Gremlin mit erhobenen Armen ab, doch die meisten trafen, und ich hörte ihn zu meiner Genugtuung um Gnade winseln, während er blutete und sich vor Schmerzen wand. An seinem linken Auge zeichnete sich ein Veilchen ab, er blutete aus der Nase, und eine Lippe war aufgeplatzt. Auch am Schädel hatte er ein paar nette Beulen abbekommen. Ich hätte wohl noch weitergemacht und mich an der idiotischen Entladung meiner Wut berauscht, doch Carl zog mich schließlich weg. Und Janie brüllte mich mit solch abgrundtiefer Enttäuschung und verzweifelter Resignation an, dass mir das Blut in den Adern gefror.
Als Carl mich irgendwann losließ, war mein Kampfgeist gebrochen. »Ist ja gut, Nash«, sagte er, doch man hörte ihm an, dass er diese Sache keineswegs guthieß. »Du hast ihn ziemlich schlimm erwischt. Hast ihm eine Lektion erteilt und so weiter. Hast deine Wut rausgelassen. Aber jetzt entspann dich wieder und lass ihn in Ruhe.«
»Na ja, du hast ihn wirklich regelrecht zusammengeschlagen, Nash«, sagte Texas Slim. »Hast ihn so in die Mangel genommen, als würdest du für Schwerarbeit bezahlt.«
Alle starrten mich an, was mir keineswegs gefiel.
Aber vermutlich hätte ich an ihrer Stelle auch geglotzt. Irrationale, gewalttätige Ausbrüche haben es nun mal an sich, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Und ebenso haben sie es an sich, das Vertrauen zu dem, der ausrastet, zu untergraben. Ich kam mir wie ein Idiot vor, hatte ein schlechtes Gewissen und war wütend auf mich selbst. Immer war ich stolz auf meine Selbstbeherrschung, auf meinen kühlen Kopf gewesen. Stolz auf mein nachsichtiges und verständnisvolles Verhalten. Diese Szene sah mir überhaupt nicht ähnlich. Ich verprügelte doch keinen, es sei denn, er bedrohte mich. Und welche Bedrohung war von Gremlin denn schon ausgegangen? Er war doch nur ein kleiner, nervender Schwätzer, der nie wusste, wann es Zeit war, die Klappe zu halten.
»Wirklich gute Arbeit«, sagte Janie. »Mein Gott, Rick!«
Die anderen wandten sich einfach ein wenig von mir ab. Alle bis auf Gremlin. Unentwegt glotzte er mich mit anklagendem Blick an. Sein Gesicht war blutbesudelt und mit blauroten Striemen überzogen, die Unterlippe zu einem Würstchen angeschwollen, das rechte Auge fast zugeschwollen. Es tat weh, ihn auch nur anzusehen.
»Fühlst du dich jetzt besser, Nash?«, fragte er und spuckte Blut auf den Boden. Er kicherte. »Bin schon schlimmer verprügelt worden, viel schlimmer. Ist schon in Ordnung. Ich bin aus dem Ruder gelaufen, und du hast mich auf meinen Platz verwiesen. Jetzt weiß ich, welchen Rang ich hier einnehme.«
Ich wollte ihm eine Hand auf die Schulter legen, aber er schlug sie so heftig weg, dass ich fast hingefallen wäre. »Fass mich bloß nicht an, du gottverdammtes Arschloch!«
Niemand widersprach ihm.
Ich zog mich zurück, rauchte, grübelte und lauschte auf den Sturm. Schmollte. War wütend und zugleich außer mir
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