Versprechen der Nacht
spielen sehen, bevor sie im Stall von Rogues angefallen wurden …«
»Meine Brüder«, bestätigte er. »Simon und Roderick.«
»Gideon«, flüsterte sie. »Das tut mir so leid für dich.«
»Es ist lange her«, sagte er.
»Aber du spürst es immer noch. Nicht wahr?«
Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Es war meine Schuld. Ich hätte sie beschützen müssen. Unsere Eltern waren tot. Die Jungen waren meine Verantwortung. Mehrere Wochen nach der Konfrontation mit Faulkner war ich auf einer Zechtour in der Stadt. Simon und Roddy waren noch klein, noch keine zehn, aber alt genug, um alleine zu jagen. Ich bin davon ausgegangen, dass ich sie ein paar Stunden in der Nacht allein lassen konnte.«
Savannah griff nach seiner fest geballten Faust, zog sie an ihre Lippen und küsste die Finger voller Mitgefühl. Er entspannte seine Finger und schob sie zwischen ihre. »Meine Brüder waren der Grund, warum ich nach Boston kam. Ich bin dem Orden beigetreten, um Rogues zu jagen, nachdem ich die drei getötet hatte, die die Jungen ermordet hatten, und dann noch Dutzende mehr.«
»Hunderte mehr«, erinnerte ihn Savannah.
Er knurrte. »Ich dachte, Rogues zu töten, würde gegen die Schuldgefühle wegen meiner Brüder helfen, aber das tut es nicht.«
»Wie lange versuchst du das schon, Gideon?«
Er stieß einen leisen Fluch aus. »Simon und Roddy wurden vor dreihundert Jahren getötet.«
Sie hob den Kopf und starrte ihn mit offenem Mund an. »Wie alt bist du genau?«
»Dreihundertzweiundsiebzig«, knurrte er. »Plus/minus ein paar Monate.«
»Oh mein Gott.« Sie ließ ihren Kopf wieder auf seine Brust sinken und lachte. Dann lachte sie noch mehr. »Ich dachte, Rachel hat einen Knall, weil sie auf Professor Keaton stand, der war erst knapp vierzig. Und ich verliebe mich hier in eine Antiquität.«
Gideon wurde ganz reglos. »Du verliebst dich?«
»Ja«, antwortete sie leise, aber ohne zu zögern. Sie sah zu ihm auf und hob eine schmale schwarze Braue. »Jetzt sag mir bloß nicht, dass ein dreihundertzweiundsiebzig Jahre alter Vampir davon das Muffensausen kriegt.«
»Nein«, sagte er, war aber plötzlich vorsichtig geworden.
Nicht wegen ihres Liebesgeständnisses; auf diese verheißungsvolle Erklärung würde er später zurückkommen.
Jetzt meldeten ihm seine Kriegerinstinkte kalten Alarm. Er setzte sich mit gerunzelter Stirn in der Wanne auf.
»Keaton«, sagte er ausdruckslos. »Wann wird der aus dem Krankenhaus entlassen?«
»Er ist schon draußen«, antwortete Savannah. »Ich habe ihn gestern auf dem Campus gesehen. Er sah furchtbar aus, sagte aber, er hätte sich wieder vollständig erholt, und man hätte ihn früher als geplant entlassen. Er war irgendwie komisch –«
Gideons Körper spannte sich an. »Inwiefern?«
»Weiß nicht. Komisch. Unheimlich. Und er hat mich angelogen, als ich ihn zu dem Angriff befragt habe.«
»Erzähl’s mir.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Er hat mir gesagt, er hat gesehen, wer Rachel in jener Nacht ermordet und ihn angegriffen hat. Keaton sagte, es war ein Obdachloser, aber Rachels Armreif hat mir etwas anderes gezeigt. Einen Mann in einem sehr teuren Anzug. Mit gelb glühenden Augen und Fängen.«
»Verdammte Scheiße. Das gibt’s doch nicht.« Gideon fragte sich, warum er es bisher noch nicht erkannt hatte. Der Angreifer hatte Savannahs Mitbewohnerin ermordet, aber den Professor am Leben gelassen. Das war kein Zufall. »Was hat Keaton dir sonst noch gesagt?«
»Nicht viel. Wie ich schon sagte, er war einfach komisch, ganz anders als sonst. Ich habe mich mit ihm nicht sicher gefühlt.«
»Wusste Keaton, dass du gestern Abend am Bahnhof sein würdest?«
Sie stutzte und überlegte. »Ich habe ihm gesagt, dass ich nach Hause nach Louisiana fahre. Vielleicht habe ich auch erwähnt, dass ich den Bus nehmen wollte –«
Gideon knurrte und stieg aus der Wanne. Wasser strömte von seinem nackten Körper. »Ich muss mir Keaton selbst ansehen. Nur so kann ich es sicher wissen.« Er überlegte, wie spät es gerade war – etwa kurz nach zwölf Uhr mittags – und stieß einen deftigen Fluch aus.
Auch Savannah stieg aus der Wanne, stellte sich neben ihn und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Gideon,
was
musst du sicher wissen?«
»Keatons Verletzungen in der Nacht des Angriffs«, sagte er. »Ich muss wissen, ob er gebissen wurde.«
»Das weiß ich nicht. So viel habe ich nicht gesehen, als ich Rachels Armreif berührt habe.« Verwirrt starrte sie ihn an. »Warum? Was
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