Versprechen der Nacht
meiner Benommenheit gerissen. »Einem Sonderbaren komme ich nur nahe, um ihm eine Pistole an den Kopf zu drücken.«
»Ach ja«, sagte er und stieß einen leisen Seufzer aus. Ketten klirrten, und Stroh raschelte, als er sich in seinem engen Gefängnis bewegte. »Wie sehr du deine Waffen liebst, Nisha. Besonders im Einsatz gegen meine Spezies. Viele sind durch die Waffen umgekommen, die du in die Hände von schlechten Menschen gegeben hast.«
»Ich tue, was ich tun muss, um zu überleben«, sagte ich, unsicher, warum ich das Bedürfnis hatte, mich ihm gegenüber zu rechtfertigen. »Mein Job läuft über Angebot und Nachfrage, das ist alles. Meine Klienten bezahlen mich dafür, ihnen Dinge zu liefern, die sie haben wollen. Was sie damit tun, geht mich nichts an.«
»Hmm.« Wieder veränderte er seine Position in der Kiste, und ich konnte spüren, dass dieser musternde Blick immer noch unablässig auf mich gerichtet war. »Du sagst also, dass du deine Kriegswaffen genauso gut mir verkaufen würdest – mir, einem der Sonderbaren –, wenn ich das Bedürfnis und das nötige Kleingeld hätte, um deinen Preis zu zahlen?«
Das würde ich nicht, und das wussten wir beide. Wütend starrte ich auf die abgedeckte Kiste. »Ich brauche mich nicht für meine Arbeit zu rechtfertigen und am allerwenigsten gegenüber einem wie dir.«
Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Nein, musst du nicht. Und es war sowieso sinnlos, dich das zu fragen. Meine Spezies will keinen Krieg gegen die Menschheit führen. Das wollten wir nie.«
»Weil ihr ihn nicht gewinnen könnt«, bemerkte ich knapp. »Ihr seid zu wenige, und die meisten von euch sind außerdem versklavt. Zum Kriegführen gehört mehr als nur Waffen. Man braucht eine Vision, Entschlossenheit und Anführer, und das ist etwas, was deine Spezies nie hatte. Wenn die Sonderbaren kämpfen wollten, hätten sie es schon vor langer Zeit tun sollen.«
»Ja. Du hast recht, Nisha.« Jetzt hörte ich Bedauern in seiner Stimme und sagte mir, dass ich keinen Grund hatte, mich deshalb schuldig zu fühlen. »Aber es gibt Angehörige meiner Spezies, die daran glauben, dass es irgendwann Frieden geben wird.«
Ich stieß ein freudloses Lachen aus. »Darum sitzt du auch gefesselt in einer Kiste, auf dem Weg nach Gott weiß wohin und wozu.«
»Ich weiß, was mir bevorsteht«, antwortete er, seine tiefe, samtige Stimme klang immer noch so ruhig wie die ganze Zeit schon. »Ich wurde nicht entführt, um versklavt zu werden. Meine Entführung dient nur einem einzigen Zweck.«
»Tod«, flüsterte ich und ignorierte den Stich in meiner Brust. In diesem Augenblick wollte ich sein Gesicht sehen – egal ob er ein Sonderbarer von der scheußlichen Sorte war oder nicht –, um festzustellen, ob der Gedanke an seinen bevorstehenden Tod ihm denn wirklich gar keine Angst machte. Das schien nämlich der Fall zu sein, und ich ballte die Fäuste an meinen Seiten, um nicht die Plane beiseitezuziehen, die ihn verbarg. »Du weißt, dass du getötet werden sollst.«
»Darauf läuft es hinaus, ja«, sagte er, ohne eine Spur von Angst oder Kummer. »Ich denke, mein Tod wird einem höheren Zweck dienen.«
Ich schüttelte den Kopf, unsicher, ob er mich sehen konnte oder nicht. Aus irgendeinem Grund, trotz allem, was ich über seine Spezies wusste und für sie empfand, störte mich seine Resigniertheit. Mehr noch, sie machte mich wütend. »Du gibst einfach auf. Versuch nicht, so zu tun, als hätte das irgendwas mit Ehre zu tun.«
»Manchmal, Nisha die Herzlose, erreicht man ein höheres Ziel besser im Tod als im Leben. Für mich ist es so. Ich füge mich bereitwillig meinem Schicksal.«
Ich lachte schneidend auf. »Nun, dann bist du entweder sehr mutig oder sehr dumm.«
Ich musste mir sagen, dass er nicht mein Problem war. Sein Schicksal – ob er es mit offenen Armen willkommen hieß oder nicht – war nämlich weiß Gott nicht mein Problem. Ich ging hinüber und hob meine leere Sojadose auf, meine Bewegungen waren angespannt vor Ärger.
»Ich hatte genug anregende Konversation für heute Nacht«, sagte ich zu ihm, konnte jetzt kaum erwarten, von ihm wegzukommen und den Rest der Wartezeit alleine in meiner Fahrerkabine zu verbringen. »Ruh dich etwas aus. Die dürften dich bald holen kommen.«
Ich sprang von der Ladefläche des Lasters, schloss die Türen hinter ihm und sperrte ihn ein.
3
Ich schlief in der Fahrerkabine ein.
Der Traum weckte mich, wie er es immer tut. Nicht die schlimmen Albträume, die ich
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