Versprechen eines Sommers
Erinnerung.
„Wie bitte?“ Sie hielt sich eine Hand hinters Ohr, um ihm zu verdeutlichen, dass sie ihn nicht verstanden hatte.
„Komm mit!“, rief er und bedeutete ihr, ihm in eine ruhigere Ecke zu folgen, wo keine Lautsprecher standen. Sie lächelte ihn mit einem Ausdruck im Gesicht an, der zugleich weich und ehrlich war. Er hatte ihr Gesicht schon immer gemocht. Sie hatte schöne Haut und hinter den Brillengläsern versteckten sich schöne Augen.
„Ich war überrascht zu hören, dass du diesen Sommer hier bist“, sagte sie.
„Ich hatte auch nicht vor, zurückzukommen“, erklärte Connor. Er war jetzt ein Mann, wie Mel nicht müde wurde zu erwähnen. Alt genug, um auszuziehen und das Leben seines Stiefvaters zu verlassen. Es war nicht so, dass es ihm gefiel, bei seiner Mutter zu leben. Es war einfach nur die einzige Möglichkeit, die er hatte, um jeden Penny fürs College zu sparen. Denn es war klar, dass er von seiner Mutter und Mel keine Unterstützung erhalten würde – und von seinem Vater auch nicht.
Was für Connor vollkommen in Ordnung war. Es machte ihm nichts aus, seinen eigenen Weg zu gehen. Er wäre schon in dem Moment gegangen, in dem er auf der Abschlussfeier der Highschool seinen Hut in die Luft geworfen hatte, aber seine Mutter hatte andere Pläne für ihn.
„Und wieso bist du dann doch hier?“, wollte Lolly wissen.
Er zögerte und überlegte, wie viel er ihr erzählen sollte. „Ich dachte, nach dem Schulabschluss würde ich mir einen Job und eine Wohnung suchen. Ich dachte, ich könnte endlich ein eigenes Leben haben.“
„Und nun bist du hier.“
„Ich konnte einfach nicht wegbleiben.“ Er hätte noch so viel mehr sagen können, und vielleicht würde er das auch noch tun, aber es war unmöglich, inmitten all des Lärms hier eine vernünftige Unterhaltung zu führen. Vielleicht war das auch ganz gut so. Vielleicht musste Lolly gar nicht den wahren Grund erfahren, wieso er zurückgekommen war. Der Sohn seiner Mutter, der achtjährige Julian, war für den Sommer aus Louisiana hierhergekommen. Und Connor sollte auf ihn aufpassen.
Was nichts anderes bedeutete, als dass er ihr den Jungen von den Füßen und außerhalb der Reichweite von Mels Fäusten halten sollte.
Connor hatte seinen Bruder nur als Baby gekannt. Dann hatte seine Mutter ihn wie einen unerwünschten Welpen weggegeben. Connor hatte Jahre gebraucht, um darüber hinwegzukommen, und vielleicht war das auch der Grund dafür, dass Julian ein wenig seltsam war. Mit seinen acht Jahren war er ein wahres Energiebündel, das nur so vor dummen Ideen sprühte – dummen Ideen, die er meistens auch ausführte. Seiner Schulakte nach zu urteilen, bedurfte es einer gesonderten Untersuchung, um Julians besondere Bedürfnisse herauszufinden, aber diese Untersuchung hatte nie stattgefunden.
Das andere, was durch die Schulakten ans Licht kam, war eine Reihe an Verfehlungen verschiedenster Art. Dabei handelte es sich nicht um harmlose Schülerstreiche oder Lehrerbeschimpfungen, sondern meistens waren es bizarre, gefährliche Aktionen, die nur eine Person betrafen: Julian selbst.
Connors Mutter behauptete, der Junge würde sie in den Wahnsinn treiben. Die Lösung des Problems war von ungewöhnlicher Seite gekommen, nämlich von Connors Vater, der immer noch im Camp Kioga arbeitete. Die Bellamys boten Connor einen Sommerjob an und luden auch Julian ins Camp ein. Er fragte sich, ob sie Lolly erzählt hatten, dass es dank Terry Davis noch einen weiteren Stipendiumscamper gab. Vermutlich nicht. Charles und Jane Bellamy waren sehr diskret, wenn es um solche Dinge ging.
„Also, was hast du so gemacht?“, erkundigte sich Lolly. „Warum bist du erst jetzt wieder hergekommen?“
„Mein Stiefvater war der Meinung, dass ich alt genug bin, um Geld nach Hause zu bringen.“ Connor bot ihr eine perfekte Imitation von seinem aus der Arbeiterklasse stammenden Stiefvater. „Du suchst dir einen Job, mein Sohn. Ich will dich nicht den ganzen Tag hier herumsitzen und uns die Haare vom Kopf essen sehen, bis wir Haus und Hof verlieren.“
Eine Aussage, die auf so vielen Ebenen ironisch war. Da war zum einen die Tatsache, dass er nicht Mels Sohn war. Ob es ihm gefiel oder nicht, Connor hatte einen Vater. „Dieser Spruch von Haus und Hof“, schnaubte er, „der setzt voraus, dass wir beides haben – Haus und Hof. Die Wahrheit ist jedoch, dass wir in einem Trailerpark leben, was niemandes Zuhause ist. Nur ein Ort, an dem man eine Weile lebt.“
Er
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