Versprechen eines Sommers
hast nur gedacht, dass Rand etwas Besonderes war, weil er so perfekt zu dir zu passen schien.“
„Er zieht nach L.A.“, gestand sie. „Er hat nicht einmal daran gedacht, zu fragen, ob das für mich in Ordnung wäre. Er hat einfach erwartet, dass ich mitgehe.“ Sie spürte den verstärkten Druck auf ihrer Brust und wusste, dass sie nur wenige Sekunden von einem Heulanfall trennten. Denn es stimmte, dass sie Rand nicht genug geliebt hatte … aber sie hatte ihn ein kleines bisschen geliebt.
„Du bist wie alt? Siebenundzwanzig?“, fuhr Earl fort. „Du bist noch ein Baby. Gefühlsmäßig bist du ein Neugeborenes. Du hast noch nicht einmal die Oberfläche dessen angekratzt, was Liebe ist.“
Ihr Vater nickte zustimmend. „Du bist nie über die Anfangsphase der Verliebtheit hinausgekommen. Ihr seid Hand in Hand durch den Central Park gelaufen und habt bei Kerzenlicht gegessen, und er hat dich vor seinen Freunden herumgezeigt. Das ist aber nicht Liebe, nicht die Art Liebe, die du verdienst. Das ist eher wie eine … Aufwärmübung.“
„Woher weißt du das, Dad?“, wollte sie wissen. Sie war erschüttert, dass die beiden ihre Beziehung mit Rand so einfach zusammenfassen konnten. Dann sah sie den Ausdruck im Gesicht ihres Vaters und zog ihre Frage zurück. Auch wenn ihr Liebesleben quasi unter einem Mikroskop stattfand, wurden die Ehe und Scheidung ihrer Eltern durch ein ungeschriebenes Gesetz des Schweigens geschützt.
„Es gibt diese Art von Liebe, die die Kraft hat, dich zu retten, dir durchs Leben zu helfen“, erklärte ihr Vater. „Sie ist wie das Atmen. Du musst es tun, ansonsten stirbst du. Und wenn sie vorbei ist, fängt deine Seele an zu bluten, Livvy. Es gibt keinen vergleichbaren Schmerz auf der Welt, das schwöre ich. Wenn du das jetzt fühlen würdest, wärest du nicht mehr in der Lage, aufrecht zu sitzen oder eine vernünftige Unterhaltung zu führen.“
Sie fing den Blick ihres Vaters auf. Er sprach so selten zu ihr über Herzensangelegenheiten, dass sie bereit war, ihm zuzuhören. Seine Worte berührten etwas tief in ihrem Inneren. So zu lieben … das war unmöglich. Es war Angst einflößend. „Warum wollte man das erleben?“
„Weil es das ist, was im Leben zählt. Es ist der Grund, warum man durchs Leben geht. Nicht weil man zusammenpasst oder miteinander gut aussieht oder die Mütter zur gleichen Zeit das gleiche College besucht haben.“
Okay, jetzt war klar, dass die beiden Rands Werdegang gründlich durchleuchtet und besprochen hatten.
„Ich fühle mich immer noch schlecht.“ Aber sie wusste auch, dass die beiden recht hatten.
„Natürlich tust du das.“ Ihr Vater schenkte ihr ein Lächeln. „Und du darfst dich auch noch einen oder zwei Tage lang so fühlen. Aber verwechsle dieses Gefühl nicht mit der Trauer über eine verlorene Liebe. Du kannst nichts verlieren, was du nie gehabt hast.“ Er schwenkte seinen Drink, sodass die Eiswürfel leise gegen das Glas klirrten.
Olivia stützte das Kinn in die Hand. „Danke, dass du so toll bist, Dad.“
„Er ist die Mutter, die du niemals hattest.“ Earl machte kein Geheimnis aus seiner Abneigung gegen Pamela Lightsey Bellamy, die auch so viele Jahre nach der Scheidung immer noch ihren Ehenamen benutzte.
„Hey“, warnte Philip ihn.
„Aber es stimmt doch.“
Olivia trank ihren Campari aus und schüttete die Eiswürfel in den Topf eines durstig aussehenden afrikanischen Veilchens. „Und was jetzt?“
„Jetzt gibt es Coq au Vin zum Abendessen, und du wirst dich vermutlich eher an den vin als an den coq halten, aber das ist in Ordnung.“ Earl grinste.
„Mom wird es hassen“, sagte Olivia. „Sie hatte große Hoffnungen in Rand gesetzt. Ich kann sie schon hören – ‚Was hast du getan, um ihn zu vertreiben?‘“
„Pamela ist schon immer ein so warmherziger Mensch gewesen“, seufzte Earl theatralisch. „Bist du sicher, dass du ein Einzelkind bist? Vielleicht hat sie die anderen gefressen, als du noch klein warst.“
Olivia konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. „So etwas würde sie nie tun. Dazu hat sie viel zu viel Spaß daran, andere in den Wahnsinn zu treiben. Ich wette, sie hätte gerne zehn von mir gehabt, wenn das möglich gewesen wäre.“
Olivia hatte ihre ganze Jugend gebraucht, um endlich das Gewicht zu verlieren, das sie zum Ziel von Spott und Mobbing gemacht hatte. Genauso lange hatte es gedauert, die Anerkennung ihrer Mutter zu gewinnen. Wenig überraschend, aber dennoch ironisch, brauchte es
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