Versprechen eines Sommers
herumzusitzen und zu jammern.“
„Also ziehen wir den ganzen Trennungsquatsch dieses Mal schneller durch?“
„Tut mir leid, aber ihr müsst mich bitte entschuldigen. Ich muss meine Koffer packen.“ Sie zog Nanas Fotoalbum aus ihrer Tasche. „Gleich morgen früh fange ich ein neues Projekt an.“ Sie atmete tief durch, ganz überrascht von der hoffnungsvollen Vorfreude, die sich in ihrem Herzen breitmachte. „Ich gehe den Sommer über fort.“
3. KAPITEL
D as ist eine schlechte Idee“, sagte Pamela Bellamy, als sie die Tür öffnete, um Olivia einzulassen. Das opulente Apartment an der Fifth Avenue sah mit seinem auf Hochglanz gebohnerten Parkettfußboden und den ausgestellten Kunstwerken aus wie ein Museum. Für Olivia war es jedoch einfach nur der Ort, an dem sie aufgewachsen war. Der Renoir im Foyer war für sie nicht außergewöhnlicher als die Tupperdosen in der Küche.
Doch sogar als Kind hatte sie sich inmitten der scheinbar direkt aus dem Vergoldeten Zeitalter zu stammenden Eleganz ihres Zuhauses wie eine Außerirdische auf Besuch gefühlt. Sie mochte es lieber etwas gemütlicher. Afrikanische Veilchen, dick gepolsterte Möbel, buntes Geschirr und kuschelige Decken. Das Einzige, was sie mit ihrer Mutter gemeinsam hatte, war, dass sie keine Gemeinsamkeiten hatten. Olivia war ein einsames Kind gewesen, das einzige Kind ihrer Eltern, und aus diesem Grund hatte sie auch immer den Druck verspürt, alles für sie sein zu müssen. Sie hatte sich mit großem Fleiß dem Lernen gewidmet, immer in der Hoffnung, eine gute Note oder ein gewonnener Musikpreis würde die Kälte vertreiben, die ihre Familie umfing, solange sie denken konnte.
„Dir auch ein herzliches Hallo, Mom.“ Olivia stellte ihre Tasche auf den Tisch in der Eingangshalle und umarmte ihre Mutter. Sie roch nach Chanel No. 5 und der Zigarette, für die sie sich jeden Morgen nach dem Frühstück auf den östlichen Balkon hinausstahl.
Bis jetzt wusste Pamela nur das, was Olivia ihr am Abend zuvor am Telefon erzählt hatte. Dass es zwischen ihr und Rand aus war und dass sie den Sommer damit verbringen würde, Camp Kioga zu renovieren. „Weil Nana mich darum gebeten hat“, hatte sie sanft hinzugefügt. Das war die einfachste Erklärung, die sie geben konnte.
„Das ist absurd.“ Pamela richtete den Schalkragen an Olivias Pullover. „Es wird noch damit enden, dass du den ganzen Sommer in der Wildnis verbringst.“
„Bei dir klingt das so, als wäre es was Schlimmes.“
„Das ist es ja auch.“
„Als Kind habe ich jedes Jahr versucht, das dir und Dad beizubringen, aber ihr habt nie zugehört.“
„Ich dachte, dir hätte es gefallen, ins Sommercamp zu gehen.“ Ihre Mutter hob die Hände in einer hilflosen Geste.
Olivia wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Dieses Missverständnis fasste ihre gesamte Kindheit in einem Satz zusammen.
„Ich nehme an, dass du bereits mit deinem Vater darüber gesprochen hast?“, fragte Pamela mit Gleichgültigkeit in der Stimme.
„Ja. Nana und Granddad sind immerhin seine Eltern.“ Olivia merkte jetzt schon, wie sehr sie das Gespräch erschöpfte. Ihre Mutter hatte so eine Art, Worte auf sie herabregnen zu lassen, die sie schrecklich schnell ermüden ließ. Dennoch war Olivia entschlossen, sich die Sache nicht ausreden zu lassen. Zumindest ihr Vater hatte nicht versucht, ihr Steine in den Weg zu legen. Als sie ihm gestern Abend ihre plötzliche Entscheidung, das Camp-Kioga-Projekt anzunehmen, mitgeteilt hatte, hatte er sie unterstützt und ihr Mut zugesprochen. Und heute zur Mittagszeit waren die ersten Arrangements schon getroffen worden. Sie hatte sich für den Sommer ein großes Auto gemietet, ihr Büro für die Zeit ihrer Abwesenheit organisiert, und mit einer anderen Firma, die auf dem gleichen Gebiet tätig war wie sie, vereinbart, dass diese in der Zeit ihre Kunden betreuen würde.
„Du läufst davon“, sagte ihre Mutter. „Wieder einmal.“
„Ich schätze, da könntest du recht haben.“ Olivia holte ihren Kalender heraus und schlug ihn auf der Seite mit der langen Liste auf, die sie auf der Taxifahrt hierher aufgestellt hatte.
„Darling, es tut mir so leid.“ Ihre Mutter sah wirklich geknickt aus.
„Ach, na ja, das passiert.“ Olivia wünschte sich, sie könnte sich nur ein Mal im Leben in die Arme ihrer Mutter kuscheln und sich an ihrer Schulter ausweinen. Aber so funktionierte ihre Beziehung nicht. „Es tut mir auch leid, Mom“, sagte sie. „Ich weiß, dass du
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