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Versprechen eines Sommers

Versprechen eines Sommers

Titel: Versprechen eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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verbrennen, um ihnen die nötige Ehre zu erweisen – auch wenn Olivia nicht einleuchtete, wieso das ehrenvoller war, als sie in den Müll zu werfen.
    Dann hatte sie einen anderen Gedanken. Vor dem Haupthaus standen in einem runden Beet drei Flaggenmasten, stark und nackt wie Bäume im Winter. Der Anblick der drei flatternden Fahnen würde bestimmt schon mal einen ganz anderen Eindruck machen.
    Entschieden schlug sie die Fahnen aus. Die Seile an den Masten schienen noch in Ordnung zu sein. Innerhalb weniger Minuten hatte sie die Camp-Kioga-Flagge gehisst, auf der ein kitschiges Tipi an einem See zu sehen war. Dann kam die Staatsflagge mit den beiden Göttinnen, die einen Schild hielten. Zum Schluss folgte auf dem mittleren und höchsten Fahnenmast die Flagge der USA. Sie fühlte sich seltsam tugendhaft und patriotisch, wie sie so an dem Seil zog und leise die Nationalhymne vor sich hinsummte. Diese Fahne war eine echte Antiquität, denn sie hatte nur achtundvierzig Sterne. Wie ihre Großeltern hatte sie ein halbes Jahrhundert Geschichte miterlebt – Kriege und die Geburt des Rock ’n’ Roll, Katastrophen und Überfluss, soziale Bewegungen und nationale Krisen.
    Diese Flagge … hing auf dem Kopf.
    In ihrem patriotischen Eifer hatte Olivia sie verkehrt herum gehisst. Eine auf dem Kopf stehende Flagge war ein Zeichen für eine Notlage, und das war ein Eindruck, den sie weiß Gott nicht erwecken wollte.
    Sie zog an der anderen Seite des Seils, aber die Rolle schien zu haken. Sie zog noch ein paarmal und verfluchte das dumme Ding, aber es half nicht.
    „Eine Leiter“, murmelte sie und machte sich auf den Weg zum Geräteschuppen. Sie fand eine, wischte die Spinnweben ab und marschierte zurück zu den Fahnenmasten. Inzwischen hatte die Sonne die Frische des Morgens vertrieben, und Olivia zog ihr Sweatshirt aus. Nach einigen ungeschickten Versuchen gelang es ihr, die Leiter ordentlich an den dünnen Mast zu lehnen. Es war zwar etwas wacklig, aber solange sie sich in der Mitte hielt, ging es.
    Auf halber Höhe hörte sie den Wind in den Bäumen und hielt inne, um die Umgebung von diesem erhöhten Aussichtspunkt zu betrachten. Von hier aus konnte sie das gesamte Camp überblicken. Die idyllischen hölzernen Hütten in der Ferne, den in der Sonne glitzernden See und den Wind in den Bäumen. Es war ein majestätischer und etwas einschüchternder Anblick. In diesem Moment wurde ihr klar, dass dieses Projekt viel größer war, als sie es sich je vorgestellt hatte. Es wäre ein Wunder, wenn sie es schaffen würde.
    Ich kann das, dachte sie und stieg entschlossen weiter hinauf. Nana sagt gerne, dass alles aus einem bestimmten Grund geschieht und dass man nicht immer erfährt, aus welchem.
    Olivia kletterte so hoch, wie sie sich traute, und streckte dann den Arm aus. Gerade als sie nach der Rolle greifen wollte, spürte sie, wie die Leiter sich bewegte.
    Nein, dachte sie. Nein. Aber bevor sie noch ihren Mund öffnen und um Hilfe rufen konnte, fiel die Leiter seitwärts um. Sie klammerte sich an den Mast und zuckte zusammen, als sie die Leiter auf dem Boden aufschlagen hörte.

6. KAPITEL
    C onnor Davis konnte sich nicht daran erinnern, Olivia Bellamy jemals zuvor getroffen zu haben. Es gab eine ganze Reihe von Bellamys, und in der Vergangenheit hatte er auch einige von ihnen kennengelernt, aber in letzter Zeit nicht. Gott sei Dank. Nervös und überzüchtet, waren die Bellamy-Frauen das menschliche Pendant zu französischen Pudeln. Zumindest die meisten von ihnen.
    Trotzdem hatte ihre Nachricht ihn irgendwie fasziniert. Alleine schon die Aussicht auf ein Projekt an sich. Bisher war auf den harten Winter nämlich nur ein äußerst mäßiger Frühling gefolgt. Das Wetter, das die Landschaft in ein wahres Wintermärchen verwandelt hatte, hatte auch die meisten Bauprojekte eingefroren. Ein Ende des finanziellen Engpasses käme ihm jetzt gerade recht. Er hatte ein Dutzend Männer auf seiner Gehaltsliste stehen und nicht genug für sie zu tun.
    Da eins seiner Teams mit dem Pick-up unterwegs war, fuhr er mit dem einzigen anderen Fahrzeug, das er besaß, zum Camp Kioga hinauf: mit seiner Harley. Auf jemanden, der seine Situation nicht kannte, wirkte das Motorrad ziemlich extravagant. Aber in Wahrheit hatte er es vor Jahren als Bezahlung von einem Klienten bekommen, der etwas knapp an Bargeld gewesen war.
    Connor war dankbar, heute mit der Harley fahren zu können. Es war ein herrlicher Frühlingstag, der das Versprechen mit sich trug,

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