Versprechen eines Sommers
„Jetzt brauchen wir nur noch einen Bauunternehmer, der die Arbeiten ausführen kann.“
Freddy zog ein Stück Papier aus seinem Notizbuch. „Hier ist die Nummer, die ich gestern aufgeschrieben habe, als wir durch den Ort gefahren sind. Davis Construction.“
„Ich höre mich mal nach anderen um.“ Als sie seinen Gesichtsausdruck sah, fügte sie hinzu: „Du weißt schon, um ein paar Vergleichsangebote einzuholen.“
„Ich wäre nicht überrascht, wenn er der Einzige hier in der Gegend wäre. Und bei dem Budget, das deine Großmutter dir gegeben hat, müssen wir auch nicht jeden Penny zwei Mal umdrehen.“
„Ich frag trotzdem mal rum“, beharrte Olivia. „Wünsch mir Glück.“
Sie hatte kein Glück. Hier oben gab es kein Handynetz, und der Festnetzanschluss im Büro war schon vor Jahren abgemeldet worden. Um einen Anruf zu tätigen, musste sie den Weg zur Straße hinunter nehmen und den antiquierten Münzfernsprecher am Pförtnerhäuschen benutzen. Bis sie das alte Büro im Haupthaus wieder instand gesetzt hätten, war das ihr einziges Telefon. Die Frau von der Auskunft bestätigte, dass es nur einen Bauunternehmer in Avalon gab, genau, wie Freddy vorhergesehen hatte.
Mit zusammengebissenen Zähnen wählte sie die Nummer. Wie bei den meisten kleineren Unternehmen bestand der Anrufservice von Davis Construction aus einer männlichen Stimme, die sagte: „Bitte hinterlassen Sie Ihre Nummer, und ich rufe zurück.“ Als sie die Nachricht das erste Mal hörte, legte sie auf, ohne etwas zu sagen.
Komm schon, Olivia, feuerte sie sich an. Die Stimme klingt nicht wirklich wie er. Das konnte er nicht sein. Was sollte er mit einem Bauunternehmen in Avalon, New York? Und selbst wenn er es war. Sie war eine gestandene Geschäftsfrau. Sie hatte alle naselang mit Bauunternehmern zu tun.
Allerdings hatte keiner von denen sie jemals hyperventilieren lassen, wenn sie seine Nummer wählte. Das war was Neues.
Mit grimmiger Entschlossenheit steckte sie einen weiteren Quarter ins Telefon und wählte die Nummer noch einmal. Und wieder ging nur der Anrufbeantworter dran. Dieses Mal hinterließ sie eine eindeutige Nachricht: „Mein Name ist Olivia Bellamy, und ich rufe aus Camp Kioga an. Ich würde mit Ihnen gerne ein … umfangreiches Renovierungsprojekt besprechen. Wenn Sie daran interessiert sind …“
„Und, Glück gehabt?“, rief Freddy ihr zu.
„Nein. Ich habe eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen.“ Sie sah ihn nirgendwo und folgte seiner Stimme, um ihn zu finden. Er war in dem Lagerraum über dem Speisesaal. Die Galerie dort oben hatte ein beeindruckendes Geländer aus geschälten Baumstämmen, die dringend entstaubt werden mussten.
„Aber hier kann dich doch niemand zurückrufen.“
„Ich habe eine Wegbeschreibung draufgesprochen und gesagt, er soll vorbeikommen, wenn er interessiert ist. Wenn bis morgen früh niemand auftaucht, müssen wir uns jemand anderes suchen.“ Den letzten Satz sagte sie mit einem Hauch Erleichterung in der Stimme. „Was tust du da?“
„Anfangen“, erwiderte er einfach. „Ich habe hier oben alle möglichen Schätze gehoben.“
„Was denn?“
„Zum Beispiel das Teleskop, von dem du mir erzählt hast.“ Das war der erste Hinweis auf die letzte Nacht, und Olivia tat so, als hätte sie ihn nicht gehört. Mit einem Mal übte die Sammlung bemalter Paddel, die sonst im Foyer ausgestellt waren, eine wahnsinnige Faszination auf sie aus.
„Und sieh dir die mal an.“ Freddy ließ etwas Sperriges über die Reling fallen. Ein großes Bündel landete auf dem Boden und wirbelte eine Staubwolke auf.
„Die Flaggen“, sagte Olivia nach Luft schnappend. Nachdem der Staub sich etwas gelegt hatte, kniete sie sich hin und packte den alten, brüchigen Stoff aus. Als eine Spinne ihr entgegenkam, sprang sie schnell zur Seite. „Ich glaube nicht, dass es erlaubt ist, sie den Fußboden berühren zu lassen.“
„Es gibt die Fünf-Sekunden-Regel“, erwiderte er.
„Stimmt.“ Vorsichtig hob sie das Bündel an und legte es auf einen leeren Tisch. Es waren drei Fahnen: die vom Staat New York, die der Vereinigten Staaten und das Banner vom Camp Kioga. Der dünne Stoff war von Spinnweben und gruselig aussehenden Spinnennestern bedeckt. Sie rollte die Fahnen auf und brachte sie nach draußen zu dem Mülleimer, der morgens als Erstes geliefert worden war.
Allerdings sollte man Flaggen nicht in den Müll werfen. Daran erinnerte sie sich noch aus der Schule. Man sollte sie
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