Versprechen eines Sommers
beinahe sein Schweigen vergessen, vergessen, dass er eine Art hatte, sie zu mustern, als wenn es ihn tatsächlich interessierte, was in ihrem Kopf vorging. Sie spürte, wie ihr Hals und ihre Wangen langsam warm wurden.
„Ich denke, so werden wir es machen, Lolly. Die Abmachung steht.“
Oh Gott, dachte sie. Was hab ich nur getan?
„Jetzt starrst du mich aber an“, machte er sie aufmerksam.
„Oh.“ Sie blinzelte. „Tut mir leid.“
Er stand auf und wandte sich in Richtung Tür.
„Connor?“
Er drehte sich um.
„Hast du …“ Sie schluckte schwer und räusperte sich dann. „Ich habe die gleiche Frage, die du mir vor ein paar Tagen gestellt hast. Denkst du … äh, jemals an uns?“
„Nein“, sagte er mit einem Schulterzucken. „Dinge passieren. Das Leben geht voran. Ich habe schon seit sehr langer Zeit nicht mehr an uns gedacht.“
Nun gut. Sie hatte es nicht anders gewollt. Sie rutschte mit den Füßen hin und her, starrte auf den Fußboden, auf die Tür, suchte mit ihrem Blick neutrales Territorium.
Er grinste sie an und berührte sie leicht an der Schulter. „Aber ich tue es jetzt.“
15. KAPITEL
C onnor hatte Olivia nur die halbe Wahrheit erzählt. Vom ersten Moment an, als er sie gesehen hatte, wie sie da am Fahnenmast hing, war er fasziniert gewesen. Je mehr Zeit verstrich, desto öfter kamen Erinnerungen an die Vergangenheit hoch, an die guten und die schlechten Zeiten, die er mit ihr verbracht hatte.
Er war sich nicht sicher, warum er sich scheute, ihr gegenüber offen zu sein. Er hätte ihr den Wohnwagen und die Harley problemlos erklären können. Vielleicht hätte er ihr sogar erklären können, wieso er sie vor so vielen Jahren so verletzt hatte. Aber er hatte es nicht getan. Aus irgendeinem Grund dachte er, es wäre einfacher, wenn sie ihn für ein geborenes Arschloch hielt, einen Biker, der in einem Trailer lebte. Vielleicht würde sie sich so nicht in ihn verlieben. Denn auch wenn er sich danach sehnte, jeden verbotenen, sinnlichen Ort gemeinsam mit ihr zu entdecken, wusste er, dass ihre Chancen, zusammenzukommen, heute nicht besser standen als damals, als sie noch Kinder gewesen waren.
Gestern Abend hatte er ihr alles erklären wollen, aber es hätte zu intensiv, vielleicht sogar obsessiv geklungen.
Es hatte wirklich keinen Zweck, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, warum sich ihre Wege vor all den Jahren getrennt hatten. Sie waren damals erst siebzehn und achtzehn Jahre alt gewesen, frisch aus der Highschool. Sie war verzweifelt unglücklich und er zu Tode verängstigt, weil er viel zu viel Verantwortung hatte tragen müssen. Nicht gerade die solideste Basis für eine Beziehung. Trotzdem, das war nicht der Grund, warum es mit ihnen nicht geklappt hatte.
In den letzten neun Jahren hatte sie alles an sich verändert. Ihr Aussehen, ihre Haare, ihre Art, sogar ihren Namen. Sie war nicht mehr einfach nur Lolly. Lolly könnte genauso gut eine Erfindung von ihm sein. Scheu, unsicher, eine Träumerin, die Lehrerin werden wollte. Ein Mädchen mit einem guten Herzen, ein Mädchen, das die einzige Person auf der Welt war, die ihn liebte.
Zum zehnten Mal schaute Connor auf sein Handy. Viertel nach elf. Keine neuen Nachrichten. Das ist gut, sagte er sich und steckte das Telefon wieder in seine Hemdtasche. Julian sollte mit dem Zug um halb zwölf ankommen.
Connor fragte sich, was Julian wohl von Avalon halten würde. Der Ort könnte als Double für Mayberry durchgehen, mit seiner Mischung aus Folkloristen, Ex-Blumenkindern, ernsten Ökoaktivisten, Künstlern und Poeten. Connor hatte sich nie vorgestellt, hier einmal sesshaft zu werden, in einer Stadt zu leben, wo die Menschen sich nicht die Mühe machten, ihre Türen über Nacht abzuschließen. Doch als das Leben ihn an den Rand der Katastrophe geführt hatte, war es seine Verbindung nach Avalon gewesen – und insbesondere zur Familie Bellamy –, die ihn gerettet hatte.
Rourke McKnight, Polizeichef von Avalon, betrat den Bahnsteig. Connor wusste, dass er nicht im Dienst war, weil er seine liebsten Accessoires bei sich hatte: eine Frau, die wie ein Unterwäsche-Model aussah, und eine dunkle Pilotensonnenbrille, um die Folgen der letzten Nacht zu verbergen. Als er Connor erblickte, winkte er ihm kurz zu, und Connor erwiderte die Begrüßung mit einem Nicken.
Das Dessous-Model sagte etwas zu Rourke und ging dann in Richtung Waschräume im Bahnhofsgebäude. Connor entschied sich, die Gelegenheit zu nutzen, um Rourke über Julian zu
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