Versprechen eines Sommers
unterrichten.
„Hey, Rourke“, sprach er ihn an.
„Connor.“ Sie schüttelten sich die Hände.
„Hast du eine Minute?“
Rourke warf einen Blick in Richtung Lobby. „Sicher. Du weißt ja, wie lange Frauen brauchen, um sich aufzuhübschen.“
Das wusste er zwar nicht, dennoch nickte Connor. Rourke war bekannt für seine wechselnden Damenbekanntschaften. Sie waren immer umwerfend, und sie kehrten alle nach kurzer Zeit in die Stadt zurück – normalerweise nach einem Wochenende – und kamen nie wieder. Einige der Klatschtanten in der Stadt fanden das ein ungebührliches Verhalten für den Chef der Polizei, aber die meisten waren der Meinung, solange es legal war, ging es sie nichts an, was Rourke in seiner Freizeit machte.
„Ich wollte dich nur wissen lassen, dass mein jüngerer Bruder den Sommer bei mir verbringen wird“, erklärte Connor. „Es ist eine etwas komplizierte Familiensituation. Wir beide werden oben auf der Baustelle im Camp Kioga wohnen.“
„Okay.“
„Er kommt auf Anordnung eines Richters her“, fügte Connor hinzu. „Er ist siebzehn und hat sich in Kalifornien ein paar kleinere Vergehen geleistet.“
„Was, hast du eine Wette verloren?“ In Rourkes Gesicht blitzte kurz ein Grinsen auf.
„So in der Art. Auf jeden Fall heißt er Julian Gastineaux, und er sollte mit dem nächsten Zug hier eintreffen.“
„Ich behalt’s im Hinterkopf.“ Rourke nahm seine Sonnenbrille ab und sah Connor ernst in die Augen. „Lass mich wissen, wenn ich dir irgendwie helfen kann.“
„Danke.“ Sie schüttelten einander noch einmal die Hände teilten ein stillschweigendes Verständnis. Die meisten Leute in der Stadt – inklusive Rourke McKnight – wussten, dass Connor eine Zeit im Gefängnis gesessen hatte. Doch niemand wusste, was diese Zeit Connor angetan hatte.
Seit seine Mutter ihn in die Position gedrängt hatte, Julian den Sommer über bei sich aufzunehmen, war er fest entschlossen, seinem Bruder dieses Schicksal zu ersparen.
Als Julian damals zu seiner Mutter gezogen war, hatte Connor gehofft, dass er es besser machen würde als Connor selber damals. Doch nach der momentanen Lage zu urteilen war das wohl nur ein frommer Wunsch gewesen. Connor würde dem Jungen klarmachen, dass es nicht sein Fehler war. Dass es nicht seine Aufgabe war, seine Mutter dazu zu bringen, ihn zu lieben. Auf diesen Versuch hatte Connor selber unglaubliche Mengen seiner Zeit und seines Herzens verbraucht, nur um festzustellen, dass es einfach nicht möglich war.
Rourkes Verabredung kehrte zurück, und der Chief setzte die Sonnenbrille wieder auf. „Wir sehen uns, Connor.“
„Darauf kannst du wetten.“ Connor nickte der Frau freundlich zu und ging wieder zurück zum Bahnsteig.
Der Zug in Richtung Stadt fuhr ein, und das Model gab Rourke einen sehnsüchtigen Kuss, dann stieg es ein. Einen Augenblick später klingelte Connors Telefon. Er warf einen Blick auf die Nummer und ging dann ran. „Ma. Ich habe gerade an dich gedacht.“
„Ist er schon da?“
„Sein Zug sollte jede Minute einfahren.“ Connor sah dem abfahrenden Zug nach, der schon bald in einer Kluft zwischen den sich gegen den Himmel erhebenden Bergen verschwand. Er versuchte, sich ihre Aussicht in Chino, Kalifornien, vorzustellen, wohin sie gezogen war, nachdem Mel sie verlassen hatte. Schnellstraßen, Schlachthöfe und Einkaufsmeilen.
„Bist du sicher, dass er darin sitzt?“
„Wieso, bist du es nicht?“ Connor runzelte die Stirn. Hatte sie gerade einen Anfall mütterlicher Sorge? „Was ist los?“
Es folgte eine kleinen Pause. „Manchmal läuft er weg“, gab seine Mutter leise zu.
„Großartig. Danke, dass du mir das gesagt hast.“ Connors Kiefermuskel zuckte. Sie würde vermutlich eine deftige Strafe zahlen müssen, wenn der Junge weglief. Er war sich nicht sicher, was ihn mehr störte: die Tatsache, dass seine Mutter ihn überredet hatte, Julian den Sommer über bei sich aufzunehmen, oder dass er es zugelassen hatte. „Was hast du mir sonst noch verschwiegen, Ma?“, fragte er.
„Guter Gott, Connor. Ich verschweige dir gar nichts. Ich erkundige mich nur nach deinem Bruder.“
„Sicher.“
„Also wirklich, wenn du wegen dieser Sache so genervt bist, dann hättest du mir das sagen sollen. Ich bin fast pleite, weil ich ihm von meinem letzten Geld das Flugticket gekauft habe.“
„Wie kann es sein, dass dich ein Flugticket in den Ruin treibt?“ Er fragte sich, ob sie Julian überhaupt genug Geld für die Zugfahrkarte
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