Versprechen eines Sommers
schwerelosen Kitzel des Fliegens zu sehnen. Egal, ob er dazu mit seinem Skateboard einen schwierigen Sprung wagen oder im heißen Wind des Golfs von Mexiko Parasurfen musste.
Es wollte Julian einfach nicht gelingen, sich seine Eltern im gleichen Raum, geschweige denn zusammen im Bett vorzustellen. Seine Mutter, die blonde Sexbombe, und sein Vater, der verrückte Professor. Über das verhängnisvolle Treffen hatte sein Vater wenig zu sagen. „Es war auf einer Konferenz zum Thema Jet-Antrieb an den Niagarafällen“, sagte er. „Sie trat in einem Club auf, und ich stellte mein Papier über den Durchbruch vor, den mein Team auf dem Gebiet der Solar- und Laser-Segeltechnik erzielt hatte. Wir hatten viel zu feiern.“
Als Julian klein war, hatte ihm der Begriff „One-Night-Stand“ nichts gesagt, und sein Vater hatte ihn auch nicht aufgeklärt. Julians Dad war peinliche fünfzehn Jahre jünger gewesen als seine Mutter. Alleine bei dem Gedanken daran musste Julian sich schütteln.
Später hatte seine Mutter ein paar weiße Flecken in der Geschichte gefüllt. „Nachdem du geboren warst, habe ich festgestellt, dass ich kein weiteres Kind unterhalten kann, also habe ich Louis das volle Sorgerecht übertragen.“ Julian nahm an, dass noch weitaus mehr dahintersteckte. Irgendwann war er zu der Schlussfolgerung gekommen, dass er ein Unfall gewesen war, ein ungewolltes Kind, das in die Hände des Elternteils gefallen war, das das kürzere Streichholz gezogen hatte.
Vor Jahren hatte sein Vater daran gedacht, ihn vor den Gefahren des ungeschützten Geschlechtsverkehrs zu warnen. Er hatte es mit der ihm eigenen Detailgenauigkeit getan, als wenn er eine Vorlesung zum Thema Raketenantrieb hielte und zum Abschluss hatte er Julian auch noch eine Packung mit Kondomen übergeben.
Das Leben eines Collegeprofessors war nicht darauf ausgerichtet, gefährlich zu sein, aber ein exzentrisches Genie in einem total verrosteten Auto im Berufsverkehr war quasi ein vorprogrammierter Unfall.
Der Tag, an dem sich Julians Leben vollkommen veränderte, hatte ganz normal angefangen. Das Letzte, was Louis an dem Morgen zu ihm gesagt hatte, war nichts Tiefgründiges oder Vorahnendes gewesen. Er hatte Julian einfach nur gesagt, dass er zum Abendessen nicht zu Hause sein würde.
Erst am nächsten Morgen dachte jemand daran, ihn anzurufen. Louis Gastineaux war kaum noch lebend aus dem Wrack geborgen worden, und als er aus dem Koma erwachte, das durch eine Schwellung im Gehirn ausgelöst worden war, war er vom Hals ab gelähmt. Sein Körper war nicht mehr als ein lebenserhaltendes System für seinen brillanten Geist. Er war mit der Wendung der Ereignisse seltsam zufrieden, denn mit etwas Training konnte er wieder einen Computer bedienen und weiterhin denken wie ein Genie. Und einer der ersten Gedanken, die ihm kamen, war, dass er sich nicht weiter um einen vierzehnjährigen Teenager kümmern konnte. Julian würde zu seiner Mutter ziehen müssen.
Sie stimmte dem Plan zu, und wieder vermutete Julian, dass mehr dahintersteckte. Er war sich ziemlich sicher, dass seiner Mutter ein größerer finanzieller Anreiz geboten worden war. Aber wie auch immer, bald fand er sich auf dem Weg nach Chino, Kalifornien, einer reizlosen Stadt an einer Schnellstraße, wo seine Mutter lebte und in einem Dinner-Theater als Kellnerin arbeitete. Sie hatte ihre Hoffnung auf eine Bühnenkarriere immer noch nicht ganz begraben. Hier schloss sich Julian einer Gruppe Skater und Kleinkrimineller an und verbrachte seine Tage damit, das Risiko zu suchen und sich dem Zugriff der Polizei zu entziehen. Als ein paar Monate später der Anruf kam, dass sein Vater aufgrund von Komplikationen gestorben war, war Julians Schicksal besiegelt. Er saß fest.
Jetzt brodelte Verbitterung in jeder einzelnen Zelle seines Körpers, als er zusammen mit seinem Bruder den Hauptbereich von Camp Kioga überquerte. Connor-Schwachkopf-Davis. Abgesehen davon, dass sie die gleiche Größe hatten – knapp einen Meter neunzig –, sahen sie aus, als wenn sie von unterschiedlichen Planeten stammten und nicht von der gleichen Mutter. Connor war diese Mischung aus Biker und Holzfäller, während Julian seinen Hip-Hop-Look kultivierte. Es half ihm, sich in der Schule einzufügen, während es ihn gleichzeitig von seiner Nordlandkönigin einer Mutter abgrenzte.
Er konnte nicht glauben, dass sie ihn mit einem Trick dazu gebracht hatte, hierherzukommen. Nur eine Woche, hatte sie gejammert. Nur damit der Richter
Weitere Kostenlose Bücher