Verstand und Gefühl
fertig eingerichtet, und sie konnte es sofort in Besitz nehmen. Es gab auf keiner Seite Schwierigkeiten bei den Vereinbarungen; und sie wartete nur auf die Regelung ihrer persönlichen Habe in Norland und die ihres zukünftigen Haushalts, bevor sie sich auf den Weg nach Westen machte. Und da sie außerordentlich flink war in der Ausführung all dessen, woran ihr lag, war das bald getan. – Die Pferde, die ihr Gatte ihr hinterlassen hatte, waren bald nach seinem Tod verkauft worden, und da sich jetzt eine Gelegenheit bot, sich ihrer Kutsche zu entledigen, erklärte sie sich auf den dringenden Rat ihrer ältesten Tochter hin bereit, diese ebenfalls zu verkaufen. Wäre es nur nach ihren eigenen Wünschen gegangen, hätte sie die Kutsche für die Bequemlichkeit ihrer Kinder behalten; doch die Umsicht Elinors behielt die Oberhand. Ihre Klugheit beschränkte |32| auch die Anzahl ihrer Bediensteten auf drei – zwei Mädchen und einen Mann, die bald aus den Reihen derer ausgewählt waren, die zuvor zum Bestand ihres Haushalts in Norland gehört hatten.
Der Mann und eins der Mädchen wurden sofort nach Devonshire geschickt, um das Haus für die Ankunft ihrer Herrin bereitzumachen; denn da Lady Middleton Mrs. Dashwood gänzlich unbekannt war, zog sie es vor, direkt ihr Haus zu beziehen, statt als Besucher zuerst nach Barton Park zu gehen; und sie vertraute so unbedingt Sir Johns Beschreibung des Hauses, daß sie keine Neugier verspürte, es selbst zu besichtigen, bevor sie es als ihr eigen betrat. Ihre Ungeduld, von Norland fortzukommen, wurde in keiner Weise abgeschwächt, da sie die offensichtliche Zufriedenheit ihrer Schwiegertochter bei der Aussicht auf ihr Fortziehen bemerkte, die sie nur schwach unter einer kühlen Einladung, ihre Abreise doch noch zu verschieben, zu verbergen suchte. Nun war die Zeit gekommen, da ihr Stiefsohn das Versprechen, das er seinem Vater gegeben hatte, in angemessener Weise erfüllen mochte. Da er versäumt hatte, dies gleich nach seiner Ankunft auf dem Gut zu tun, mußte nun ihr Fortgang als der passendste Zeitpunkt dafür angesehen werden. Doch Mrs. Dashwood gab bald alle Hoffnungen dieser Art auf und schloß aus der Richtung, die seine Reden im allgemeinen zu nehmen pflegten, daß seine Unterstützung nicht über ihren sechs Monate währenden Unterhalt in Norland hinausgehen würde. Er sprach so häufig von den steigenden Ausgaben für die Haushaltung und den beständigen Forderungen an seinen Geldbeutel, denen ein Mann von einiger Bedeutung in der Welt in unberechenbarer Weise ausgesetzt sei, daß er eher selbst mehr Geld zu benötigen schien, als daß er vielleicht vorhaben könnte, welches fortzugeben.
Nur sehr wenige Wochen nach dem Tag, der Sir John Middletons ersten Brief nach Norland brachte, war in ihrem zukünftigen Wohnsitz alles so weit geregelt, daß sich Mrs. Dashwood und ihre Töchter auf die Reise machen konnten.
So manche Träne wurde bei ihrem letzten Lebewohl von |33| einem so sehr geliebten Ort vergossen. »Liebes, liebes Norland!« sagte Marianne, als sie am letzten Abend ihres Aufenthaltes dort allein vor dem Haus umherwanderte; »wann werde ich aufhören, dir nachzutrauern – wann lernen, mich woanders zu Hause zu fühlen? – Ach, glückliches Haus! Wüßtest du, was ich leide, da ich dich jetzt von diesem Platz aus betrachte, von dem ich dich vielleicht nie mehr betrachten werde! – Und ihr, ihr wohlbekannten Bäume! – Doch ihr werdet die gleichen bleiben. – Kein Blatt wird verwelken, weil wir fort sind, und kein Zweig aufhören, sich zu regen, obgleich wir euch nicht mehr anschauen können! – Nein, ihr werdet unverändert bleiben; nichts ahnend von der Freude oder der Trauer, die ihr hervorruft, und unberührt von allen Veränderungen derer, die unter eurem Schatten wandeln!– Aber wer wird bleiben, um sich eurer zu erfreuen?«
|34| Kapitel 6
Der erste Teil ihrer Reise wurde in einer zu traurigen Stimmung zurückgelegt, als daß er anders als ermüdend und unerfreulich hätte sein können. Doch als sie sich dem Ziel näherten, ließ ihr Interesse an der Landschaft der Gegend, in der sie nun leben sollten, ihre Niedergeschlagenheit schwinden, und der Blick auf Barton Valley, der sich ihnen bei der Einfahrt ins Tal darbot, stimmte sie wieder heiter. Es war ein erfreuliches, fruchtbares Fleckchen Erde, schön bewaldet und mit reichem Weideland. Nachdem sie über eine Meile der sich dahinwindenden Straße gefolgt waren, erreichten sie ihr Haus.
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