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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Schüchternheit, Kälte und Zurückhaltung konnten einem solchen Empfang nicht standhalten. Sie schwanden dahin, noch bevor er das Haus betrat, und wurden schließlich ganz überwunden durch die einnehmende Art Mrs.   Dashwoods. In der Tat konnte sich ein Mann nicht sehr wohl in eine ihrer beiden Töchter verlieben, ohne diese Gefühle auch auf sie zu übertragen; und Elinor hatte die Befriedigung zu sehen, wie er bald wieder mehr der alte wurde. Seine Zuneigung zu ihnen allen schien erneut aufzuleben, und seine Anteilnahme an ihrem Wohlergehen wurde wieder offenbar. Er war jedoch in keiner guten Stimmung; er lobte ihr Haus, bewunderte seinen Ausblick, war aufmerksam und freundlich, und doch war er nicht in guter Stimmung. Die ganze Familie bemerkte es, und Mrs.   Dashwood, die dies einer mangelnden Großmut seiner Mutter zuschrieb, setzte sich voller Empörung über alle selbstsüchtigen Eltern zu Tisch.
    »Welche Pläne hat denn Mrs.   Ferrars jetzt mit Ihnen, Edward?« fragte sie, als das Dinner beendet war und sie alle um das Kaminfeuer saßen; »sollen Sie noch immer entgegen Ihrem Willen ein großer Redner werden?«
    »Nein. Ich hoffe, meine Mutter ist nun überzeugt, daß ich weder Talent noch Neigung für ein öffentliches Amt habe.«
    »Aber wie können Sie Ihren Ruhm
dann
begründen? Denn berühmt müssen Sie werden, um Ihre ganze Familie zu befriedigen |103| ; und da Sie keine Neigung zu großem Aufwand, keine Liebe zu Fremden, keinen Beruf und nicht genug Selbstvertrauen haben, könnte es für Sie schwierig werden.«
    »Ich werde nichts dergleichen anstreben. Ich habe kein Verlangen nach Rang und Namen; und ich habe allen Grund zu hoffen, daß sie mir erspart bleiben. Gott sei Dank kann ich nicht zu Genialität und Redegewandtheit gezwungen werden.«
    »Sie haben keinen Ehrgeiz, wie ich sehr wohl weiß. Ihre Wünsche sind ganz und gar bescheiden.«
    »So bescheiden wie die aller übrigen Menschen, denke ich. Ich möchte, wie jeder andere auch, vollkommen glücklich sein; aber wie jeder andere muß ich es auf meine Weise sein können. Ein hoher Rang würde mich nicht glücklich machen.«
    »Es wäre seltsam, wenn er das täte!« rief Marianne. »Was haben Reichtum und Rang mit Glück zu tun?«
    »Rang nur wenig«, sagte Elinor, »aber Reichtum hat viel damit zu tun.«
    »Schäme dich, Elinor!« sagte Marianne. »Geld kann nur glücklich machen, wo nichts anderes es vermag. Außer daß man sein Auskommen hat, kann es doch, soweit es unser inneres Wesen betrifft, keine wirkliche Befriedigung bieten.«
    »Vielleicht«, sagte Elinor lächelnd, »können wir zu dem gleichen Ergebnis kommen. Dein Auskommen und mein Reichtum sind fast das gleiche, möchte ich behaupten; und wie die Welt nun einmal ist, muß es ohne diese – da wirst du mir zustimmen – an jeglicher Art äußeren Wohlergehens fehlen. Deine Vorstellungen sind nur nobler als meine. Komm, sag mir – wie hoch ist dein Auskommen?«
    »Etwa achtzehnhundert oder zweitausend Pfund im Jahr; mehr als das nicht.«
    Elinor lachte. »Zweitausend im Jahr! Eintausend sind für mich schon Reichtum. Ich habe mir schon gedacht, wie es enden würde.«
    »Und doch sind zweitausend Pfund im Jahr ein sehr bescheidenes Einkommen«, sagte Marianne. »Eine Familie kann |104| nicht gut von weniger existieren. Ich bin bestimmt nicht extravagant in meinen Anforderungen. Eine angemessene Dienerschaft, eine Kutsche, vielleicht zwei, und Jagdpferde können nicht mit weniger unterhalten werden.«
    Elinor mußte wieder lächeln, als sie ihre Schwester so genau ihre zukünftigen Aufwendungen in Combe Magna beschreiben hörte.
    »Jagdpferde!« wiederholte Edward. »Aber warum müssen Sie Jagdpferde haben? Es geht doch nicht jeder auf die Jagd.«
    Marianne errötete, als sie erwiderte: »Aber die meisten ja.«
    »Ich wünschte«, sagte Margaret, einen neuen Gedanken einbringend, »jede von uns würde ein großes Vermögen geschenkt bekommen!«
    »Ach, wenn es doch so wäre!« rief Marianne, und ihre Augen blitzten vor Lebhaftigkeit, und ihre Wangen glühten vor Freude über solch imaginäres Glück.
    »In diesem Wunsch sind wir uns alle einig, denke ich«, sagte Elinor, »trotz der Unzulänglichkeiten des Reichtums.«
    »Du liebe Güte«, rief Margaret, »wie glücklich ich wäre! Was könnte ich wohl alles damit anfangen?«
    Marianne sah aus, als hätte sie keine Zweifel in diesem Punkt.
    »Ich wüßte gar nicht recht, wie ich ein großes Vermögen selbst ausgeben sollte«,

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