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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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hatten bereits stattgefunden, ohne Elinor eine Gelegenheit zu bieten, mit Lucy allein zu sprechen, als Sir John eines Morgens nach Barton Cottage kam, um sie alle im Namen christlicher Nächstenliebe zu bitten, an diesem Tag mit Lady Middleton zu speisen, da er genötigt sei, bei seinem Klub in Exeter zu erscheinen; sie würde sonst, abgesehen von ihrer Mutter und den beiden Misses Steele, ganz allein sein. Elinor – die vorhersah, daß dies für ihre Absichten eine günstigere Gelegenheit bieten würde, da |156| man sich unter der ruhigen und wohlerzogenen Regie Lady Middletons freier untereinander bewegen konnte, als wenn ihr Gatte sie zu einem einzigen lärmenden Vergnügen zusammenholte – nahm die Einladung sofort an; Margaret willigte mit der Erlaubnis ihrer Mutter gleichfalls ein, und Marianne wurde, obgleich sie an keiner dieser Gesellschaften gern teilnahm, von ihrer Mutter – die es nicht ertragen konnte, wenn sie sich selbst von jeglicher Gelegenheit zu einer Abwechslung ausschloß – überredet, ebenfalls hinzugehen.
    Die jungen Damen kamen also, und Lady Middleton war glücklich bewahrt vor der schrecklichen Einsamkeit, die ihr gedroht hatte. Die Tischgesellschaft war genauso langweilig, wie Elinor es erwartet hatte; es wurden keinerlei neue Gedanken oder Meinungen geäußert, und nichts konnte weniger interessant sein als diese ganze Unterhaltung im Speisezimmer wie auch im Salon. In den letzteren begleiteten sie die Kinder, und während sie dort blieben, wußte Elinor viel zu gut, daß es unmöglich war, Lucys Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, um es überhaupt zu versuchen. Sie verließen den Salon erst, als das Teegeschirr fortgebracht wurde. Dann wurde der Kartentisch aufgestellt, und Elinor wunderte sich schließlich über sich selbst, daß sie jemals die Hoffnung gehegt hatte, in Barton Park Zeit für ein Gespräch zu finden. Sie erhoben sich alle, um sich auf ein Gesellschaftsspiel vorzubereiten.
    »Ich bin froh«, sagte Lady Middleton zu Lucy, »daß Sie das Körbchen für die arme kleine Annamaria nicht fertigmachen wollen, denn gewiß würde es Ihren Augen schaden, wenn Sie bei Kerzenlicht Filigranarbeiten machten. Wir werden die liebe Kleine morgen für ihre Enttäuschung entschädigen, dann wird es ihr hoffentlich nicht so viel ausmachen.«
    Dieser Wink genügte; Lucy faßte sich sogleich und erwiderte: »Sie irren sich wirklich sehr, Lady Middleton, ich wollte nur abwarten, ob Sie bei Ihrem Spiel ohne mich auskommen, sonst hätte ich schon mit meiner Filigranarbeit begonnen. Ich wollte den kleinen Engel um nichts in der Welt enttäuschen; und wenn Sie mich jetzt am Kartentisch brauchen |157| , dann bin ich entschlossen, das Körbchen nach dem Supper fertigzustellen.«
    »Sie sind sehr gütig; ich hoffe, es schadet Ihren Augen nicht – wollen Sie nach ein paar Arbeitskerzen läuten? Mein armes kleines Mädchen wäre schrecklich enttäuscht, das weiß ich, wenn das Körbchen morgen nicht fertig wäre; denn obgleich ich ihr gesagt habe, daß es bestimmt nicht möglich sein wird, verläßt sie sich gewiß doch darauf.«
    Lucy holte sich augenblicklich ihren Handarbeitstisch heran und setzte sich mit einem Eifer und einer Munterkeit daran, die anzudeuten schienen, daß es für sie kein größeres Vergnügen gab, als ein Filigrankörbchen für ein verwöhntes Kind herzustellen.
    Lady Middleton schlug den anderen einen Rubber vor. Niemand hatte etwas dagegen außer Marianne, die mit ihrer gewöhnlichen Nichtbeachtung der Formen allgemeiner Höflichkeit ausrief: »Euer Ladyschaft werden die Güte haben, mich zu entschuldigen – Sie wissen, daß ich Kartenspiele hasse. Ich werde mich ans Klavier setzen; ich habe es noch nicht wieder berührt, seit es gestimmt wurde.« Und sie begab sich ohne weitere Umstände zu dem Instrument.
    Lady Middleton machte ein Gesicht, als dankte sie dem Himmel, daß
sie
niemals etwas so Unverschämtes geäußert hatte.
    »Marianne kann sich nie lange von diesem Instrument fernhalten, wissen Sie, Ma’am«, sagte Elinor in ihrem Bemühen, das Ärgernis auszuräumen; »und es ist nicht sehr zu verwundern, denn es hat den wunderbarsten Klang, den ich je gehört habe.«
    Die übrigen fünf sollten nun ihre Karte ziehen.
    »Wenn ich jetzt aussetzen würde«, fuhr Elinor fort, »könnte ich vielleicht von einigem Nutzen für Miss Steele sein; ich könnte das Papier für sie zusammenrollen, denn es gibt an dem Körbchen noch so viel zu tun, daß es wahrscheinlich nicht

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