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Versteckt

Versteckt

Titel: Versteckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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Gerüchte, und die kannten wir alle. Unsere Eltern deuteten an, dass bei Ben und Mary etwas »nicht mit rechten Dingen« zuging. Verantwortungsbewusste Eltern schwiegen sich in Hörweite ihrer Kinder über die Details aus, und mehr war nicht nötig, um unsere Fantasie zu beflügeln. Und schon gab es weitere Gerüchte, die wir nicht zuletzt selbst in Umlauf brachten.
    Dass sie Kinder fraßen und in großen Kokons aus Babyfleisch lebten. Dass sie in Wahrheit Zombies, Vampire oder Schwarzmagier waren.
    Das Übliche eben.
    Ich war zehn, als Rafferty, Jimmy Beard und ich den Mut aufbrachten, hinter das Haus zu schleichen und in den Mülltonnen zu wühlen.
    Sie ernährten sich ausschließlich von Konserven.
    Im Müll war nicht eine Papierverpackung oder ein Tiefkühlkarton oder ein Schnipsel frisches Gemüse. Nur Konservenbüchsen von Früchten, Erbsen, Möhren und Zwiebeln. Thunfisch- und Fleischdosen der Marke S. S. Pierce. Jede Dose war penibel ausgewaschen und blitzsauber. Ich weiß nicht, warum uns gerade das so beunruhigte, doch so war es eben.
    Außerdem entdeckten wir Hundefutter – gewaltige Mengen. Wir zählten fünf leere Säcke.
    Jeder wusste, dass sie Hunde hielten. Wie viele, darüber konnte nur spekuliert werden. Sicherlich mehr als zwei oder drei. Im Umkreis des Hauses roch es überall nach ungewaschenem Hundefell und Hundescheiße, aber es gab ja kilometerweit keine Nachbarn, die sich darüber hätten beschweren können. Nur ein Dickicht aus Zwergpinien und Gestrüpp, aus dem das Haus herausragte, als schwebte es auf einer wuchernden grünen Wolke, die es langsam zur See hinübertrug.
    Wir durchwühlten den Müll und spähten in das Kellerfenster. Es war viel zu dunkel, um etwas erkennen zu können, obwohl Jimmy Beard Stein und Bein schwor, er hätte im Zwielicht eine Bewegung gesehen.
    Da wollten wir ihm nicht widersprechen. Stattdessen rannten wir los. Als wären die Geschichten, die wir uns ausgedacht hatten, plötzlich Wirklichkeit geworden. Als hätte sich die Hölle selbst in diesem Keller aufgetan.
    Selbst während ich das hier niederschreibe, bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich mich an diesen Tag zurückerinnere.
    Wir hatten gar nicht so falschgelegen.
    Wie dem auch sei – so ähnlich jedenfalls war es in den Zeitungen zu lesen:
    Als ich dreizehn war, rief der Lieferjunge, den die Harmons angestellt hatten, die Polizei. Er hatte bemerkt, dass sich die Konserven seit einem Monat unberührt vor der Haustür stapelten. Außerdem hatte er sein Geld nicht wie üblich im Briefkasten vorgefunden.
    Zwei Polizisten und der Lieferjunge öffneten die Haustür mit einer Brechstange. Dabei hätte einer der Beamten fast seine Hand verloren. Hinter der Tür warteten nämlich dreiundzwanzig Hunde, die kurz vor dem Verhungern waren.
    Man verschloss die Tür wieder und rief Verstärkung. Am nächsten Tag fand sich die halbe Stadt dort ein, Rafferty und ich natürlich auch. Es war eine richtige Sensation. Sechs Polizisten und der arme alte Säufer Jack Gardener, der als Hundefänger arbeitete, sowie sechs oder sieben Typen von der Tierschutzbehörde aus Machias in weißen Laborkitteln schütteten säckeweise Hundefutter durch ein eingeschlagenes Küchenfenster in das Haus. Dann warteten sie ab. Das Knirschen und Knacken und Knurren der fressenden Hunde zerrte allen an den Nerven.
    Als es wieder ruhig war, stürmten sie mit Betäubungspistolen und Netzen das Haus. Und dabei konnte ich einen ersten Blick hineinwerfen.
    Vor langer Zeit hatte sich jemand dort gemütlich eingerichtet. Ich hatte gehört, dass das Haus schon über hundert Jahre alt sei. Die Deckenbalken waren handgeschnitzt, und jede Tür und jede Zierleiste, die nicht mit irgendetwas Ekelhaftem vollgeschmiert war, schien aus hochwertiger Zeder oder Eiche zu bestehen. Der Rest war unglaublich dreckig. Schmierig. Verschimmelt. Eingetrocknete Hundescheiße bedeckte den Boden. Alles stank nach Urin. Überall stapelten sich feuchte, vergilbte alte Zeitungen fast bis zur Decke. Die dicken Polster der Couch und eines großen Sessels waren in Fetzen gerissen. Der leere Kühlschrank stand offen. Die Schränke und Türen waren mit Zähnen und Klauen zu Kleinholz verarbeitet worden.
    Wir Kinder standen vor der Tür und verzogen wegen des Gestanks die Gesichter. Wir sahen zu, wie ein Hund nach dem anderen aus dem Haus gebracht und in den Transportwagen der Tierschutzbehörde gesperrt wurde. Ein paar Tiere mussten getragen werden, weil sie so schwach waren. Nach

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