Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition)
übertrieben.
Aber Sie merken es?
Ja. Aber das Normale ist ja, dass man in diesem Alter längst auf den Friedhof gehört. Wir sind beide viel älter als der Durchschnitt geworden. Loki hatte keine Angst vorm Tode. Und ich habe auch keine Angst vor dem Tod.
Also gut: Zu seinem 40. Geburtstag hat das ZEITmagazin die Leserinnen und Leser gebeten, uns Fragen zu schicken, die sie Ihnen immer schon mal stellen wollten. Menschen aus allen Alters- und Berufsgruppen haben uns geschrieben, viele Studenten, sogar Schüler, und mancher hat seine Frage so formuliert, wie sie Journalisten wohl kaum stellen würden. Ich habe ein paar Zuschriften ausgewählt.
Legen Sie los!
Die erste Frage kommt von Helena Graves, einer jungen Leserin, die ein ganz besonderes Verhältnis zu Ihnen hat. Sie ist 25, studiert Modejournalismus in Hamburg und schreibt: »Herr Schmidt, mein Großvater sagt, ich hätte meine Existenz Ihnen zu verdanken, da einer der Hubschrauber, die Sie 1962 während der Sturmflut in Hamburg losschickten, meiner Mutter, die damals noch ein kleines Baby war, das Leben rettete. Wenn es Sie nicht gegeben hätte, würde es mich heute auch nicht geben. Denken Sie noch oft an die Flut?«
Nicht von allein, aber manchmal wird man darauf angesprochen, und dann kommt die Erinnerung zurück. Die Hubschrauber kamen übrigens nicht nur von der Bundeswehr, sondern auch aus anderen Staaten der Nato. Ich hatte großes Glück, dass der Oberkommandierende in Europa, US-General Lauris Norstad, mich kannte und wusste, dass ich ein ernst zu nehmender Mensch war und kein Fantast. Er hat auf meine Anforderung sofort positiv reagiert.
Gibt es ein Bild von der Flut, das sich Ihnen besonders eingeprägt hat?
In meiner Erinnerung sind viele Bilder. Ich selbst bin ja in einem kleinen Hubschrauber, dessen Türen ausgehängt waren, das ganze Flutgebiet abgeflogen: Überall waren Menschen auf den Dächern, die auf Rettung warteten. Und im Wasser schwammen tote Kühe.
Ulrich Erk, 61 Jahre alt, Ingenieur aus Wendlingen, hat eine sehr aktuelle politische Frage. Er möchte wissen, was Sie davon halten, Parlamentsentscheidungen im Nachhinein einem Plebiszit zu unterwerfen.
Schon seit Jahrzehnten bin ich ein ziemlich strikter Anhänger der repräsentativen parlamentarischen Demokratie. Ich habe, völlig unabhängig von Stuttgart 21, immer Vorbehalte gegenüber Volksentscheiden und Volksbegehren gehabt. Der Grund dafür ist, dass viele Fragen viel zu kompliziert sind, um sie nach Gefühl und Wellenschlag mit Ja oder Nein beantworten zu können.
Haben Sie denn Verständnis für den Eindruck vieler Bürger, dass ihnen komplizierte und manchmal auch schmerzhafte Entscheidungen nicht ausreichend vermittelt werden?
Dafür habe ich volles Verständnis. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die journalistische Parlamentsberichterstattung in Deutschland ärmlich ist. Das gilt insbesondere fürs Fernsehen. Politiker sollten nicht in Talkshows gehen, sondern im Parlament ihre Reden halten.
Das Misstrauensvotum gegen Sie am 1. Oktober 1982 beschäftigt nach wie vor viele Leser. Heiner Henkel, 52, Werbebetriebswirt aus Frankfurt am Main, erinnert sich an die Szene, als Sie Ihrem Nachfolger Helmut Kohl im Bundestag zu seiner Wahl gratulierten: »Gab es damals auch so etwas wie einen Moment der Erleichterung, Ihr Amt nach über acht schweren Jahren abzugeben?«
Ja, diesen Moment hat es durchaus gegeben. Im Übrigen aber habe ich das Ganze mit großer Gelassenheit erlebt. Schließlich und endlich hatte ich ja seit Anfang 1982 damit gerechnet.
Dazu passt, was Frank Juling, 54, technischer Leiter aus Magdeburg, von Ihnen wissen möchte: »Können Sie heute beurteilen, welche Personen in der SPD damals maßgeblich zu Ihrer Ablösung als Bundeskanzler beigetragen haben? Und aus welchen Gründen?«
Das waren wesentlich nicht Personen der SPD, sondern Personen der FDP, insbesondere Graf Lambsdorff, der inzwischen gestorben ist. Die hatten parteipolitische Gründe. Was die Sozialdemokraten angeht: Da gab es einige, die mit meiner Politik nicht einverstanden waren, die haben das aber erst laut gesagt, nachdem ich ausgeschieden war.
Roland Röhrig, 52, Dolmetscher und Übersetzer aus Borgentreich in Ostwestfalen, schreibt: »Kurz bevor Helmut Kohl 1982 sein Amt antrat, haben Sie sich mit ihm getroffen, um ihn in die Regierungsgeheimnisse einzuweihen. Können Sie heute sagen, welche das waren?«
Ich kann mich noch sehr genau an diese Unterhaltung erinnern, wenn auch
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