Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition)
nicht mehr an die Details. Ich möchte aber vermuten, dass es um die jüngsten Gespräche mit den führenden Leuten aus den USA, der Sowjetunion und anderen Staaten gegangen ist. Kohls allgemeine Kenntnisse waren völlig ausreichend; es ging mir nur darum, ihm den augenblicklichen Stand mitzuteilen und es nicht darauf ankommen zu lassen, dass er sich die Informationen aus dem Auswärtigen Amt oder anderen Ministerien zusammenklauben musste.
Ann-Kathrin Guballa, 41, Maskenbildnerin aus Hamburg, möchte wissen, was Sie am Beruf des Politikers richtig toll finden – und was ganz blöd.
Als erste Antwort würde ich sagen: Ich finde alles toll und alles ganz blöd. Im Ernst würde ich hinzufügen: Das meiste in der Politik liegt in der Mitte.
Susanne Thielecke, 39, Personalmanagerin aus Hamburg, fragt: »Waren Politiker Ihrer Generation tiefgründiger, charismatischer und umfassender gebildet als die heutigen, oder kommt uns das nur so vor?«
Tiefgründige Bildung und charismatische Begabung müssen keineswegs Hand in Hand gehen, das kann vorkommen, ist aber nicht der Normalfall. Zwei Personen ragten im vorigen Jahrhundert heraus: Winston Churchill und Franklin D. Roosevelt. Was die Deutschen angeht, so haben wir eine Reihe von umfassend gebildeten Politikern erlebt. Dazu gehörten Theodor Heuss, Carlo Schmid, Ernst Reuter, Fritz Erler und Franz Josef Strauß.
Und Helmut Schmidt?
Ich habe mir im Laufe meines Lebens mühselig, nachdem ich durch die Wehrdienstpflicht acht Jahre verloren hatte, ein bisschen Bildung angeeignet.
Eine Frage zur Elitenbildung hat auch Timm Ohnweiler, 28, Physikdoktorand aus Tübingen: »Wie kann es gelingen, dass sich in Deutschland eine echte unabhängige (politische) Elite herausbildet – und vor allem: Was kann jeder Einzelne dazu beitragen?«
Der Einzelne kann wenig dazu beitragen. Wichtig ist, dass sich in der Politik Kerle tummeln, die einen zivilen Beruf nicht nur erlernt, sondern auch mit Erfolg ausgeübt haben – damit sie eines Tages auch wieder in diesen Beruf zurückgehen können. Ein Berufspolitiker, der diese Möglichkeit nicht hat, wird abhängig davon, dass er wiedergewählt wird. Und das heißt, dass er der Versuchung ausgesetzt ist, seinem Wählerpublikum nach dem Munde zu reden.
Quoc Tuy Nguyen, 45, Angestellter im öffentlichen Dienst aus Halle an der Saale, fragt: »Hand aufs Herz: Was ärgert Sie an Brandts/Schmidts Enkeln und Urenkeln am meisten?«
Was mich immer wieder stört – »ärgern« ist der falsche Ausdruck –, ist, dass bei einigen Politikern ein Mangel an ökonomisch-sozialem Überblick besteht. Denken Sie nur an die Bankenkrise! Und bei einigen anderen stört mich die Neigung zur Oberflächlichkeit. Mit der politischen Abstammung hat das allerdings nichts zu tun, ich beobachte das in allen Parteien.
Clemens Ritter, 28, Rechtsanwalts- und Notarfachangestellter aus Berlin, würde gern wissen, welcher der gegenwärtig aktiven Politiker Ihrer Meinung nach das Zeug zum Bundeskanzler hat.
Ich will vier Namen nennen: Peer Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier, Angela Merkel und, wenn er etwas älter geworden ist, Karl-Theodor zu Guttenberg.
Die nächste Frage stammt von Eva Birkenstock, 45, aus Heidelberg; sie ist Hochschuldozentin für Philosophie, Übersetzerin und Autorin: »Verstehen Sie das, Herr Schmidt, dass es im Land von Kant, Hegel, Schelling, Fichte, Schopenhauer, Nietzsche, Heidegger keinen verbindlichen Philosophieunterricht in Schulen gibt?«
Das verstehe ich sehr wohl. Man kann nicht alles unterrichten, und Philosophie ist ein weites Feld. Ich würde empfehlen, dass die Gymnasien nachmittags freiwillige Kurse anbieten, zum Beispiel für philosophische Fragen – aber ich würde den obligaten Lernstoff nicht noch mehr erweitern. Ich bin dafür, dass das Gymnasium nicht allzu viel Lebenszeit in Anspruch nimmt.
Noch eine Schulfrage: Paul Tiemann, 12, aus Werdohl, möchte wissen, was Sie vom Abitur nach acht Jahren halten.
Ich habe zwangsläufig und ohne dass ich das vorher wusste, nach acht Jahren Abitur gemacht, und es ist einigermaßen etwas aus mir geworden. Ein Vierteljahr vorher wusste ich noch nicht einmal, dass für mich die Schulzeit zu Ende ging.
Christian Dröttboom, 25, Verwaltungsfachangestellter aus Nettetal, fragt: »Wie sehen Sie die Rolle der Gewerkschaften in der Politik? Waren Sie ein Freund oder ein Gegner der Gewerkschaften?«
Ich bin Mitglied einer großen Gewerkschaft, seit ich in das Berufsleben eingetreten bin.
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