Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition)
Schuldenabkommens von 1953 geleistet. Und immerhin stammten die damaligen deutschen Schulden noch aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen!
Was kein Mensch mehr weiß.
Aber es ist so.
Teilen Sie denn die Sorge vieler Ökonomen, dass die Staatsverschuldung unser Grundproblem ist – auch weil sie Spekulationen auslöst?
Die Staatsverschuldung ist ein Problem unter mehreren. Aber ein viel dickeres Problem ist die uferlose Handlungsfreiheit auf den globalen Finanzmärkten.
Spekulanten können ihre Hebel aber nur dann ansetzen, wenn ein Staat ihnen wegen seiner hohen Schulden eine Angriffsfläche bietet.
Im Jahr 2008 musste Lehman Brothers Insolvenz anmelden. Damals ging es überhaupt nicht um Staatsverschuldung, sondern um eine große Zahl von Finanzinstituten, die reihenweise von ihren Staaten gerettet werden mussten. Auf den sogenannten Finanzmärkten tummeln sich intelligente, aber einäugige Idioten. Sie sind blind auf dem Auge, welches das Gemeinwohl im Blick haben sollte, und mit dem anderen Auge schielen sie auf ihre eigene Bonifikation. Sie haben kein Verantwortungsbewusstsein und gehören deshalb unter viel straffere Aufsicht. Dieser Meinung bin ich seit zweieinhalb Jahrzehnten.
Eine strengere Beaufsichtigung der Finanzmärkte löst aber nicht das Problem der Staatsverschuldung.
Das ist richtig. Aber strenge Regulierung löst das Problem der psychotischen Reaktionen auf den globalen Finanzmärkten, die aus zigtausend Devisen- und Wertpapierhändlern bestehen. Dabei wissen die Vorstände der Banken oft gar nicht, was ihre Händler gerade machen.
Glauben Sie wirklich, dass man die Finanzmärkte zügeln kann?
Man kann sie zügeln. Dazu gehört aber ein fester Wille, jedenfalls ein fester Wille derjenigen Regierungen, die sich zur gemeinsamen Euro-Währung zusammengeschlossen haben.
Können Sie diesen Willen erkennen?
Zurzeit leider nicht. Aber es ist nicht undenkbar, dass er entsteht. Und es wäre gut, wenn er entstünde.
Viele Deutsche haben im Moment Angst um ihre Ersparnisse. Können Sie das nachvollziehen?
Wenn es Deutsche gibt, die Angst haben, dann ist ihnen die Angst gemacht worden. Zum Beispiel durch dicke Überschriften im Spiegel oder in der Bild -Zeitung. Der deutsche Journalismus hat sich, leider Gottes, nicht verändert. Dabei wurde die Bankenkrise des Jahres 2008 noch sehr vernünftig, nämlich zurückhaltend kommentiert. Aber das ist vorbei. Jetzt machen fast alle in Angst – selbst in der Süddeutschen Zeitung habe ich schon gelesen, dass wir es mit einer Euro-Krise zu tun hätten. Aber das stimmt nicht. Wir haben es mit einer Krise der europäischen Institutionen zu tun.
Sie halten die Angst vor einer Währungsreform also für ein Gespenst?
Für absolut dummes Zeug.
Sie haben ja, vom Euro mal abgesehen, zwei solche Reformen miterlebt: die Einführung der Rentenmark 1923 und die Einführung der D-Mark 1948.
In beiden Fällen war aber eine sagenhafte Inflation vorausgegangen, und es gab eine uferlose Verschuldung des deutschen Staates. Das liegt heute beides nicht vor. Es ist nicht der deutsche Staat, der sich zu hoch verschuldet hat, nicht der französische und auch nicht die Europäische Union insgesamt, sondern es ist das relativ kleine Griechenland. Möglicherweise auch das noch kleinere Portugal.
Das etwas größere Italien hat auch eine stolze Verschuldung.
Man muss bei Schulden immer gucken, wer die Gläubiger sind. Im Falle Griechenlands gibt es viele ausländische Gläubiger. Société Générale, Hypo Real Estate in München, das sind wohl die größten unter den betroffenen Gläubigern. In Italien dagegen sind es im Wesentlichen nationale Banken, das ist eine ganz andere Kanne Bier. Deswegen kann man die italienische Verschuldung nicht mit der griechischen vergleichen. Wobei man auch sagen muss, dass die Regierung Berlusconi sicherlich nicht besser ist als die griechische.
Den beiden Währungsreformen in den zwanziger und vierziger Jahren war jeweils ein Weltkrieg vorausgegangen.
Ja, aber die Deutschen hätten auch dann eine Währungsreform gebraucht, wenn sie den Krieg gewonnen hätten. Man muss auch sagen, dass die zweite deutsche Währungsreform, die Einführung der D-Mark, nicht von Deutschen erfunden worden ist, sondern im Wesentlichen von Amerikanern. Sie hat sich als großer Glücksfall erwiesen, weil sie nämlich mit den Segnungen des Marshallplans zusammentraf. Ohne diesen Plan wäre die Währungsreform nicht so glücklich verlaufen, die Preise wären
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