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Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition)

Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition)

Titel: Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt , Giovanni di Lorenzo
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vorgeschlagen haben.
    Laut Faz musste Brandt in dieser schwierigen Phase 1972 »schweigend erdulden, dass der Fraktionsvorsitzende Wehner und Minister Schmidt hinter seinem Rücken Dinge nach ihren Wünschen richteten und beispielsweise dafür sorgten, dass der Chef des Kanzleramts, Horst Ehmke, abgelöst wurde«.
    »Hinter seinem Rücken« ist Unfug. Wir haben Brandt das Tableau vorgelegt, und er hat es akzeptiert. Wenn er Nein gesagt hätte, hätte es dieses Kabinett so nicht gegeben, denn Brandt war der Kanzler.
    Klaus Harpprecht, Brandts ehemaliger Redenschreiber und Berater, hat in seinen Tagebüchern über diese Zeit notiert: »WB denkt laut nach. Nach dem November 1972, der großen Wahl, habe es einen Bruch gegeben. Aus seiner Sicht erst damals. Seine Krankheit, die Stimmbänderoperation – als ihn die Ärzte, wie er sagt, fast umgebracht hätten –, die Koalitionsverhandlungen, die ohne ihn geführt werden mussten, er deutete etwas an von einem Papier, das in Herbert Wehners Tasche war.« Wussten Sie von diesem Papier?
    Nein. Ich habe irgendwann später in der Presse gelesen, dass der Willy dem Wehner ein Papier gegeben habe mit der Bitte, es auch mir zu geben, was Wehner dann angeblich vergessen hat. Ich weiß nicht, ob es dieses Papier tatsächlich gab; ich weiß nur, dass Wehner und ich in allen Personalfragen übereinstimmten.
    Wurde in dieser Zeit tatsächlich der Keim der Zwietracht zwischen Willy Brandt und Ihnen ausgesät?
    Der war schon vorher ausgesät worden, während der Notstandsdebatte 1967/68, ich war damals Fraktionsvorsitzender. Unsere Minister im Kabinett Kiesinger, also Brandt, Wehner, Heinemann, Schiller und so weiter, hatten die Notstandsgesetze mitbeschlossen, wollten sie aber aus Angst vor dem Freund nicht vor der eigenen Fraktion verteidigen. Das haben sie mir überlassen, und das fand ich unerhört.
    Sie mussten den Buhmann spielen?
    Ja, das hat meine Begeisterung für Willy Brandt erheblich abkühlen lassen.
    War das Klima frostig, als Brandt Ende 1972 aus dem Krankenhaus zurückkehrte?
    Nicht frostig, aber ein bisschen kühler als Mitte der sechziger Jahre. Da hatte er mich bei der Bildung der Großen Koalition um Rat gefragt.
    Wird das Regieren für eine große Partei einfacher, wenn sie einen Koalitionspartner hat? Oder ist eine Alleinregierung effizienter?
    Eine Alleinregierung ist bei einem Vierparteienparlament die ganz große Ausnahme.
    Adenauer hätte 1957 allein regieren können. Er hat aber darauf verzichtet und die Deutsche Partei mit ins Boot geholt.
    Ja, weil er klug war und wusste, dass das eine Ausnahme war.
    Worauf kommt es in Koalitionsgesprächen am meisten an – auf Sachfragen, Personalfragen oder darauf, dass die Verhandlungspartner sich gut verstehen?
    Ich habe immer sehr viel Rücksicht auf die Gefühle des Koalitionspartners genommen. Und ich habe Außenminister Genscher natürlich nicht seine wichtigen Aufgaben weggenommen, sondern sie bei ihm belassen. Außerdem hatte ich Freunde in der Freien Demokratischen Partei. Hildegard Hamm-Brücher zum Beispiel, Wolfgang Mischnick und Josef Ertl. Den habe ich in Kabinettssitzungen immer als »Bruder Josef« angeredet, und er hat mich »Bruder Helmut« genannt. Ertl war ein sehr eigenwilliger Vertreter landwirtschaftlicher Interessen, aber ein zuverlässiger Mensch. Menschliche Zuverlässigkeit, das ist eine meiner Lebenserfahrungen, ist in der Politik mindestens genauso wichtig wie das fachliche Können.
    Zu Otto Graf Lambsdorff hatten Sie kein so gutes Verhältnis …
    Das ist richtig. Der war ganz konservativ.
    Sie haben einmal gesagt, er sei der eigentliche Grund für den Bruch der sozialliberalen Koalition gewesen.
    Ja, er wollte den Bruch. Wir waren als Politiker sehr gegensätzlich: In seinem Amtszimmer hing ein Porträt von Bismarck, in meinem eins von Bebel. Lambsdorff verachtete die Linksdemokraten; er hätte eigentlich in die Hugenbergsche Deutschnationale Volkspartei der Weimarer Zeit gepasst. Erst sehr viel später, nach seiner Ministertätigkeit, hat er sich zu einem echten Liberalen durchgemendelt.
    Genscher hat noch vor Kurzem gesagt, er habe Sie immer als sehr fairen Partner empfunden.
    Das nehme ich an, dass er das so sieht.
    Ging Ihnen das mit ihm genauso?
    Ja. Mit einer Ausnahme. 1980 hatte die FDP noch mit meinem Namen auf ihren Plakaten Wahlkampf gemacht. Nach der Wahl fing Genscher dann aber an, öffentlich über die Notwendigkeit einer Wende zu reden – wobei unklar blieb, was damit

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