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Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition)

Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition)

Titel: Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt , Giovanni di Lorenzo
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sofort wieder gestiegen. Weil aber gleichzeitig Bananen und Apfelsinen ins Land kamen und man für das neue Geld etwas kaufen konnte, das es vorher nicht gegeben hatte, wurde die Währungsreform schnell zum Erfolg.
    Für Griechenland wäre sie allerdings eine Katastrophe?
    Griechenland braucht keine Apfelsinen und keine Bananen, Griechenland braucht Investitionen! Es muss Unternehmer geben, die das Risiko auf sich nehmen, in dem Land zu investieren. Das werden sie nur tun, wenn es in Griechenland eine verlässliche Wirtschaftspolitik gibt. Wenn ich einen europäischen Marshallplan für Griechenland fordere, meine ich nicht Geld, sondern konkrete Projekte.
    Hatten Sie ein emotionales Verhältnis zur D-Mark?
    Nein, insbesondere auch kein emotionales Verhältnis zur Deutschen Bundesbank. Es hat mir manchmal missfallen, dass sie ihre Verantwortung für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, anders als die amerikanische Zentralbank, relativ kleingeschrieben hat. Die Bundesbank fühlte sich meistens nur für die Stabilität der Kaufkraft der D-Mark verantwortlich, nicht aber zum Beispiel für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
    Viele Bürger haben aber die D-Mark sehr geschätzt.
    Die Westdeutschen haben die Wertschätzung für ihre Währung eigentlich erst im Laufe der neunziger Jahre entdeckt. Vorher war die D-Mark nicht Gegenstand emotionaler Zuneigung, sondern sie war selbstverständlich. Erst als man den Menschen erzählte, der Euro sei ein Teuro, fingen sie an, darüber nachzudenken. Von da an liebten manche plötzlich die D-Mark. Viele Hausfrauen haben geglaubt, jetzt wird alles teurer. Und es stimmt sogar, dass damals eine Reihe von Lebensmitteln teurer geworden ist. Insgesamt aber war die Inflationsrate im Euro-Raum in den zehn Jahren seit Einführung des Euro niedriger als die Inflationsrate in Deutschland in den letzten zehn Jahren der D-Mark. Die Hausfrauen hatten unrecht. Tatsächlich haben Jean-Claude Trichet und die Europäische Zentralbank den Euro nach innen und nach außen stabiler gehalten als die Amerikaner ihren Dollar oder die Chinesen ihren Yuan.
    Sie wirken so gelassen – EU-Ländern droht jedoch der Bankrott, und ernst zu nehmende Ökonomen warnen vor einer Weltrezession!
    Ja, es liegt nicht in meiner Natur, Angst zu haben.
    Glauben Sie, dass es zu einer Weltrezession kommt?
    Nein. Ich halte eine Weltrezession für möglich, aber ich halte sie auch für abwendbar.
    Wie könnte sie abgewendet werden?
    Zum Beispiel durch vernünftiges Handeln der Institutionen der Europäischen Union. Und durch eine Rückkehr der Republikanischen Partei der Vereinigten Staaten von Amerika zur ökonomischen Vernunft. Ich gehe davon aus, dass die Republikaner sich spätestens in zwei Jahren von ihrer gegenwärtigen Haltung abkehren werden. Und dann muss eine Weltrezession nicht eintreten. Es könnte übrigens nicht nur zu einer Weltrezession kommen, sondern sogar zu einer Weltdepression, wenn etwa einige Regierungen größerer Staaten größere Dummheiten begehen würden. Dergleichen würde ich nicht völlig ausschließen.
    Das ist auch nichts, worauf man sich freuen könnte.
    Das ist etwas, was man mit großer Besorgnis als entfernte Möglichkeit im Hinterkopf haben muss.
    Herr Schmidt, Sie haben mir einmal verraten, dass Sie einen ganz kleinen Teil Ihres Vermögens in Aktien angelegt haben. Haben Sie jetzt in der Krise verkauft?
    Nein, ich habe mich noch nie darum gekümmert, was gekauft oder verkauft wurde.
    Sie vertrauen also Ihrer Bank?
    Nur in Maßen. Aber ich vertraue dem Mann bei der Bank. Das ist ein wichtiger Unterschied!
    6. Oktober 2011

»Eine Alleinregierung ist die ganz große Ausnahme«
    Über Koalitionsverhandlungen
    November 2011. Die SPD hat die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus gewonnen und ist auf der Suche nach einem Koalitionspartner. Die Verhandlungen mit den Grünen sind schon in der ersten Runde an unterschiedlichen Auffassungen zum Ausbau der Stadtautobahn gescheitert. Nun ist der Weg frei für eine Große Koalition.
    Lieber Herr Schmidt, als Sie selbst noch Kanzler waren, sollen Sie einmal bei Koalitionsverhandlungen ausgerufen haben: »Ich möchte sterben!« Können Sie sich daran erinnern?
    Nein. Aber das kann ich nicht ernst gemeint haben.
    Doch. Es war das Jahr 1976, Sie verhandelten damals mit der FDP, und Sie hatten eine Rentenerhöhung um zehn Prozent versprochen. Als sich herausstellte, dass die Zahlen des Arbeitsministeriums nicht stimmten und Ihr Versprechen nicht zu halten

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