Verstrickung des Herzens
Anfang an fürchtete ich, in diesem Kampf zweier Welten unterzugehen. Um zu überleben, sah ich nur einen einzigen Weg — ich mußte meinem eigenen Gewissen folgen. Es stimmt, ich habe mich geweigert, meine Waffen gegen die Indianer zu erheben. Ebensowenig bekämpfte ich das Volk meines Bruders. Ich bin mit einigen Kriegerhäuptlingen befreundet, zum Beispiel mit Osceola. Aber ich habe auch beim Militär viele Freunde gewonnen. Soviel ich weiß, kursiert das Gerücht, ich würde vor diesem Gericht um Gnade flehen. Das liegt nicht in meiner Absicht. Ich verlange nur Gerechtigkeit. Mich trifft keine Schuld am Massaker, das in der Nähe des Forts Deliverance stattfand, denn ich griff nur ein, um das Leben meiner Frau zu retten. Und wenn ich auch zugebe, daß ich Colonel Michael Warrens Tod verursacht habe, so bitte ich doch um Berücksichtigung mildernder Umstände. Wie mehrere Zeugen bestätigen können, habe ich in Notwehr gehandelt.«
Er stand in einem -provisorischen Kriegsgerichtsraum, in einem Zelt zwischen St. Augustine und dem Fort Deliverance. Am Richtertisch saßen General Jesup, müde und traurig wie eine alte Bulldogge, General Hernandez, Captain Morrison und ein Militäranwalt namens Lieutenant Pete Harding. John Harrington, immer noch schwach und mit bandagiertem Arm, war auf einer Bahre hereingetragen worden.
Obwohl Jesup versucht hatte, die Öffentlichkeit auszuschließen, war es ihm nicht gelungen, interessierte Bürger aus St. Augustine und zahlreiche Zeitungsreporter fernzuhalten. Als James verstummte, hörte er mehrere Bleistifte über Papier kratzen. Die Journalisten machten sich Notizen, einige Künstler skizzierten sein Porträt.
Da er seine Verbundenheit mit beiden Völkern demonstrieren wollte, hatte er zunächst eine Hose nach der europäischen Mode, ein Indianerhemd und ein Stirnband getragen. An seiner Halskette hing der silberne Halbmond, den Osceola ihm vor Jahren geschenkt und den er Teela an jenem Tag gegeben hatte, um sie vor Unheil zu bewahren. Aber Jarrett betonte, sein Bruder müsse sich in der amerikanischen Welt behaupten. Deshalb hatte James einen Gehrock und ein weißes Rüschenhemd angezogen und sein Haar im Nacken zusammengebunden. Er wußte, daß er sein Anliegen wortgewandt formulieren und eindrucksvoll auftreten konnte, doch er glaubte, in erster Linie würden ihm Jesups derzeitige Schwierigkeiten zum Erfolg verhelfen.
Unbarmherzig hatte die Presse den General attackiert. Sogar die Weißen, die sich über die Grausamkeit der Seminolen entrüsteten, verübelten ihm, daß er Hernandez befohlen hatte, Osceola unter der Flagge des Waffenstillstands festzunehmen.
»Ich verlange die Gerechtigkeit, die mir zusteht«, fuhr James fort. »Aber um sie zu erlangen, werde ich nicht versprechen, unsere Indianerhäuptlinge wie ein Bluthund aufzuspüren. Und ich werde niemals die Menschen verraten, die mich um Hilfe baten. Ebensowenig will ich das Vertrauen meiner weißen Freunde mißbrauchen. Das können viele der hier Anwesenden bestätigen. Gentlemen, mein Schicksal liegt in Ihrer Hand, doch meine Seele gehört mir allein.«
Nach diesen letzten Worten herrschte tiefe Stille, dann brach ein Chaos aus.
Man hatte ihn vor seiner Aussage des Mordes an Warren und des Massakers beim Fort Deliverance beschuldigt. Um ihn zu entlasten, waren Jarrett, der junge Offizier Noonan und die Überlebenden des Gemetzels in den Zeugenstand getreten. Trotzdem wußte James, daß er sich letzten Endes selbst retten mußte. Nach dem Geschrei zu urteilen, hatte er das Publikum überzeugt. Hoffentlich auch die Richter ...
Jesup schlug mit der Faust auf den Tisch und rief die Zuschauermenge zur Ordnung. Dann beriet er sich mit den Beisitzenden und stand auf. »Was Colonel Warrens Tod betrifft, wird keine Anklage gegen James McKenzie erhoben, da er eindeutig in Notwehr gehandelt hat. Warren war nicht befugt, ihn zu hängen. Bezüglich des zweiten Punktes: James McKenzie ist unschuldig am Massaker beim Fort Deliverance. Mr. McKenzie, Sie sind ein freier Mann.«
Wieder erhob sich gellendes Geschrei, und eine helle Stimme übertönte alle anderen. James bahnte sich einen Weg durchs Gedränge der Gratulanten, zu seiner Frau.
Seine Frau. Was für süße Worte ...
Überglücklich warf sie sich in seine Arme und küßte ihn vor aller Augen. Reporter umringten sie und bestürmten sie mit Fragen. In welcher Beziehung hatte sie zu ihrem Stiefvater gestanden? Was hielt sie vom Krieg, von Jesups Taktik, von Osceolas
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