Versuchung Pur
»Gehst du wieder zurück?«
»Wohin?«
»Nach Philadelphia.«
Es wäre töricht, ihm zu erzählen, wie sehr sie versuchte, nicht darüber nachzudenken. Also ließ sie die neue, die praktische Eden antworten. »Das Sommercamp schließt in der letzten Woche im August. Wohin sollte ich sonst gehen?«
»Sicher, wohin sonst?«, stimmte er zu. Doch als er ihre Hand losließ, verspürte sie einen Hauch von Verlust anstatt Erleichterung. »Vielleicht kommt für jeden irgendwann die Zeit, da man sich seine Möglichkeiten sehr genau ansehen muss.«
Er stand auf, und Edens Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten. Er machte einen Schritt vor, und das Herz schlug ihr bis in den Hals. »Ich bin gleich zurück.«
Als sie allein war, atmete Eden zitternd aus. Was hatte sie eigentlich erwartet? Was hatte sie sich erhofft? Sie war etwas wackelig, als sie sich erhob, doch das konnte auch am Wein liegen. Aber der Wein hätte sie aufwärmen müssen. Stattdessen verspürte sie einen Kälteschauer. Sie rieb sich die Arme. Die Luft war still und klar, der Himmel von einem tiefen Blau. Nur am Horizont schimmerte noch ein roter Schein. Sie konzentrierte sich auf diesen glutroten Streifen. Sie wagte kaum, daran zu denken, wie der Himmel aussehen würde, wenn die Sterne aufgingen.
Vielleicht würden Chase und sie sich ja wieder zusammen die Sterne ansehen. Dann würde sie die Sternbilder suchen, und dann würde sie erneut von diesem wunderbaren Gefühl erfüllt werden, das ihr sagte, dass ihre Bedürfnisse und Träume sich vermischten. Mit seinen.
Eden presste die Hand vor den Mund und versuchte, den Gedankengang aufzuhalten. Es war nur … Dieser Abend war viel schöner, als sie ihn sich vorgestellt hatte. Es war nur … Chase und sie hatten mehr gemein, als sie es für möglich gehalten hatte. Es war nur … Er besaß eine innere Sanftheit, die sie berührte, wenn sie es am wenigsten erwartete. Und wenn er sie küsste, fühlte sie sich, als würde die ganze Welt ihr zu Füßen liegen.
Nein. Unruhig grub sie die Finger in ihre Oberarme. Sie verlor sich schon wieder in Romantik und Tagträumereien. Dabei konnte sie es sich doch gar nicht leisten, zu träumen. Sie hatte doch gerade erst angefangen, ihr Leben umzukrempeln, es selbst in die Hand zu nehmen. Es war schlicht unmöglich, sich vorzustellen, Chase könnte ein Teil davon werden.
In diesem Moment hörte sie die Musik. Sie kannte das Stück nicht, dennoch sandte die melancholische Melodie ihr einen prickelnden Schauer über den Rücken. Sie musste gehen, sofort. Sie hatte sich von der Atmosphäre einfangen lassen. Vom Haus, vom Sonnenuntergang, vom Wein. Von ihm. Sie würde ihm sagen, dass sie jetzt zurück zum Camp wollte. Sie würde ihm für den Abend danken, und dann … dann würde sie schnellstmöglich die Flucht ergreifen.
Als Chase zurückkam, stand Eden neben dem Tisch. Kerzenschein flackerte über ihre Haut. Das heranziehende Dunkel der Nacht schien hinter ihrem Rücken zu wirbeln. Der Duft der Bauernrosen wehte durch die Fenster herein, sacht und schwer wie ein süßer Seufzer. Er fragte sich, ob sie sich in Luft auflösen würde, sollte er sie berühren.
»Chase, ich denke, ich sollte jetzt besser …«
»Schhh.« Nein, sie würde sich nicht auflösen, beruhigte er sich. Sie war real. So wie er auch. Mit einer Hand griff er nach ihrer, die andere legte er an ihre Taille. Nach einem kurzen Zögern begann Eden, sich zusammen mit ihm zu bewegen. »Das Schöne an Countrymusik ist, dass man zu ihr tanzen kann.«
»Ich … äh … ich kenne das Lied nicht.« Doch es fühlte sich so gut und so richtig an, sich mit ihm zusammen zum Rhythmus zu wiegen, während die Dunkelheit sich senkte.
»Der Song handelt von einem Mann, einer Frau und Leidenschaft. Die besten Songs handeln alle davon.«
Eden schloss die Augen. Sein Jackett strich sanft über ihre Wange, sie fühlte seine Hand an ihrem Rücken. Er roch nach Seife, doch keine, die eine Frau benutzen würde. Der Duft war durch und durch männlich. Sie wollte ihn schmecken. Sie legte den Kopf an seine Schulter, sodass ihre Lippen seinen Hals berührten.
Sein Puls schlug hart und kräftig und schnell. Eden ließ die Vorsicht fahren und schmiegte sich enger an ihn, konnte fühlen, wie sein Puls zu rasen begann. Ihr eigenes Herz pochte wie wild. Eden ließ einen verträumten Seufzer hören und fuhr mit der Zungenspitze über seine Haut.
Chase wollte sich zurückziehen. Er hatte es wirklich vor! Als er die Veranda
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