Versuchung Pur
doch, dachte er, als er sich mit den Fingern durchs Haar fuhr. Vielleicht hatte er sie beide auf die Antwort zutreiben wollen, die noch immer so weit entfernt schien.
»Die Sonne geht unter.« Seine Hände zitterten unmerklich, als er Eden wieder zum Fenster umdrehte. »Nicht mehr lange, und das Licht wird ein völlig anderes sein.«
Eden konnte ihm nur dankbar sein, dass er ihr Zeit und Gelegenheit bot, um ihre Fassung zurückzufinden. Erst viel später würde ihr klar werden, welche Anstrengung es ihn gekostet haben musste.
Eine Weile standen sie so da, sahen schweigend zu, wie die Berge in ein erstes Rosé getaucht wurden. Ein heiseres, aber vernehmliches Hüsteln durchbrach die angespannte Stille. Eden zuckte zusammen.
»’Tschuldigung.«
Der Mann, der in der Tür stand, hatte einen struppigen Bart, lang genug, dass er ihm bis auf das rot karierte Hemd reichte. Er war nicht viel größer als Eden, doch mit dem massigen, kräftigen Körperbau war er eine imposante Erscheinung. Die Falten in seinem Gesicht verdeckten fast die dunklen Augen. Dann grinste er, und Eden erhaschte das Blitzen eines Goldzahns.
Aha. Das war also die kleine Lady, die seinem Boss so langsam, aber sicher den Verstand raubte! Hübscher als ein Korb voll frisch gepflückter Äpfel, beschied er und nickte ihr anerkennend zu. »Dinner ist serviert. Wenn ihr es nicht kalt essen wollt, solltet ihr euch besser in Bewegung setzen.«
»Eden Carlbough – Delaney.« Chase zog leicht eine Augenbraue in die Höhe. Er wusste, Delaney hatte die Situation mit einem Blick erfasst. »Er kann kochen, ich nicht. Das ist auch der Grund, warum ich ihn nicht schon längst gefeuert habe.«
Er bekam ein kehliges Lachen als Antwort. »Er feuert mich nicht, weil ich ihm seine Rotznase geputzt und die Schnürsenkel gebunden habe.«
»Vielleicht sollten wir noch hinzufügen, dass das inzwischen immerhin dreißig Jahre her ist.«
Eden erkannte sofort, wie zugeneigt die beiden einander waren – und wie gereizt Chase plötzlich reagierte. Es freute sie irgendwie, dass es also doch jemanden gab, der ihn aus der Ruhe bringen konnte. »Nett, Sie kennenzulernen, Mr. Delaney.«
»Einfach nur Delaney, Ma’am.« Das breite Grinsen noch immer auf dem Gesicht, strich er sich über den langen Bart. »Hübsch, wirklich hübsch«, sagte er an Chase gewandt. »Wenn man schon daran denkt, sesshaft zu werden, dann besser mit jemandem, der einem nicht schon beim Frühstück mit seinem Anblick den Appetit verdirbt. Das Essen wird kalt«, fügte er noch hinzu und war schon verschwunden.
Eden hatte bei Delaneys kleiner Rede höflich geschwiegen, doch ein Blick in Chases Miene reichte, und sie brach in helles Lachen aus. Ein Laut, der Chase erst recht daran denken ließ, Delaney an seinem eigenen Bart aufzuhängen.
»Freut mich, dass du dich amüsierst.«
»Sogar ganz prächtig! Ich erlebe zum ersten Mal, dass dir die Worte fehlen. Und natürlich fühle ich mich geschmeichelt, weil mein Anblick niemandem den Appetit verdirbt.« Sie nahm ihm den Wind aus den Segeln, indem sie ihm ihre Hand bot. »Komm. Das Essen wird sonst kalt.«
Statt ins Esszimmer führte Chase sie auf eine verglaste Veranda. Zwei große Ventilatoren drehten sich träge an der Decke und verteilten die frische Abendluft, die durch die gekippten Fenster strömte. Ein Windspiel klingelte leise zwischen zahllosen Blumenampeln, aus denen sich üppig blühende Fuchsien ergossen.
»Dein Haus bietet eine Überraschung nach der anderen«, sagte Eden, als ihr Blick auf das dick gepolsterte Zweiersofa und die Korbmöbel fiel. »Jeder Raum scheint allein auf Entspannung und eine wunderschöne Aussicht ausgerichtet zu sein.«
Der Tisch war mit Tongeschirr in kräftigen Farben gedeckt. Obwohl noch das Licht des Tages in der Luft hing, brannten bereits zwei hohe Kerzen auf dem Tisch. Neben Edens Teller lag eine einzelne Rose.
Romantik, dachte sie. Die Romantik, von der sie einst geträumt hatte und vor der sie sich nun in Acht nehmen musste. Doch ob Zweifel oder nicht, sie nahm die Rose auf und lächelte Chase zu. »Danke. Oder ist das vielleicht deine?« Während sie lachte, rückte Chase ihr den Stuhl zurecht.
»Setzt euch, setzt euch und esst, solange es warm ist.« Trotz seiner Körperfülle legte Delaney ein erstaunliches Tempo an den Tag, als er mit einem großen Tablett auf die Veranda kam. Da sie befürchtete, einfach niedergewalzt zu werden, kam Eden seiner Aufforderung nur allzu willig nach.
»Hoffentlich
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