Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)
ankreuzen, was Sie übernehmen wollen. Ich will den Picknickkorb von Vuitton, aber Giorgio meint, das KPM wäre besser.
Liebe Grüße Tiffany
Ich nahm die Liste zur Hand. Das Günstigste war eine silberne Babyrassel von Christofle. Das Teuerste ein Lalique-Tafelaufsatz im Gegenwert eines Mittelklassewagens.
Ich rief meine Mutter auf dem Handy an, aber niemand nahm ab. Ich versuchte es noch dreimal, beim vierten Mal hatte ich Marie-Luise am Apparat.
»Wie geht es unseren Heimatvertriebenen?«
»Gut. Deine Mutter verzockt grade den letzten Rest Bares.«
Ich fuhr hoch. »Ich dachte, du schaust ihr auf die Finger?«
»Tu ich ja auch. Ich gewinne es beim Backgammon zurück. Da ist die Reichert nicht halb so gut, wie sie glaubt. Ein ewiger Kreislauf. Hier geht nichts verloren.«
Ich hatte mir vom Haus Emeritia anderes erwartet als eine als Altersresidenz getarnte Spielhölle. »Sag ihr, sie soll auf der Stelle Schluss machen. Das geht vom Weihnachtsgeld ab.«
»Weihnachtsgeld!«, prustete sie.
»Ist alles in Ordnung?«
»Bestens. Gleich gibt’s den Freitagskrimi. Sie müssen sich noch umziehen.«
»Fürs Fernsehen?«
»Ja. Höhepunkte strukturieren den Tag. Mach dir keine Sorgen. Es geht ihnen blendend.«
Ich hatte ihnen zwar verboten, in der Vergangenheit des alten Hagen herumzustochern, aber vielleicht waren sie ja zufällig an die eine oder andere Information gekommen. Dann würde sich die Ausgabe wenigstens ideell amortisieren.
»Sonst noch was?«
»Es liegen Schokokekse als Lockmittel auf der Fensterbank.«
»Was?«
Sie kicherte. »War ein Witz, Vernau. Ein Witz!«
Unzufrieden legte ich auf. Dem Fräulein schien es ja blendend zu gehen. Mein Blick fiel auf die Hochzeitsliste. Eine Babyrassel für hundert Euro. Ich drehte den Zettel um, in der Hoffnung, irgendwo etwas in der Größenordnung von zwei Garfield-Tassen oder einem Satz Teelichter zu entdecken. Mit einer Heftklammer war eine Karte befestigt. Ein Auktionshaus in der Fasanenstraße.
Präsenzauktion – Highlights für Ihren Keller!
Verehrte(r) Weinfreund(in),
wir beehren uns, Sie zu unserer Jahresauktion mit 840 Lots und einem unteren Katalogwert von 500.000 Euro einzuladen, darunter allein 72 Lots mit 100 Parker-Punkten.
Es folgten eine Aufzählung großer Bordeaux-, Burgund- und Bordelais-Weine sowie Datum und Uhrzeit. Die Auktion lief seit zwei Stunden. Wenn ich die lebensfrohe italienische contessa treffen wollte, dann … jetzt.
Fünfzehn Minuten später quetschte ich mich, nachdem ich mich am Eingang registriert hatte, durch vollbesetzte Reihen und bekam noch einen Platz im hinteren Drittel des nüchternen Raumes. Ich hatte erwartet, dass man die zur Versteigerung stehenden Weine auch zu sehen bekäme, stattdessen wurden Fotos auf eine Leinwand geworfen.
Am Pult stand eine schmale Frau im dezenten Kostüm mit Hornbrille. Die dunklen Haare trug sie madonnenhaft in der Mitte gescheitelt, ihre Stimme kam verzerrt über die Lautsprecher. Sie rasselte gerade die Eckdaten einer Ladung Mouton Rothschild Jahrgang 2000 herunter, die ersten Gebote lagen unter dreitausend Euro. Von italienischem Akzent keine Spur.
Das Publikum hätte auch zu einer Briefmarkenauktion gepasst. Keine exzentrischen Milliardäre, keine monokeltragenden Snobs. Wesentlich mehr Männer als Frauen. In einer der vorderen Reihen glaubte ich einen prominenten Restaurantbesitzer zu erkennen, aber ich konnte mich auch irren.
»Dreitausendneunhundert. Jemand viertausend? Viertausend für die zweiundfünfzig. Viertausendeinhundert?«
Ich überlegte, zum Spaß den Arm zu heben und was ich mir damit einbrocken würde, am Ende dieses Abends sechs Flaschen Wein nach Hause zu tragen, deren Wert mein augenblickliches Monatseinkommen bei weitem überstieg. Die Flaschen wechselten den Besitzer für sagenhafte fünftausendzweihundert Euro. Ich blätterte in meinem in Englisch gehaltenen Katalog und entdeckte ein Foto der hübschen Auktionatorin: Veronica Francesca Verasia-Camerer, Countess of Oderzo. Sie sah sehr elegant und sophisticated aus, doch so schnell, wie sie weiter vorne die Eckdaten der nächsten Kiste Wein herunterratterte, hätte sie auch eine Fischauktion leiten können.
Ich musste nicht mehr lange leiden. Der nächste Aufruf war wieder ein Mouton Rothschild, doch diese Kiste ging für gerade einmal neunhundert Euro weg. Die Leute standen auf. Lange Schlangen bildeten sich vor einem Schalter rechts neben der Bühne. Die Contessa stieg herab, ein Glas
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