Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)
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»Das heißt, wenn jemand von den alten Bewohnern geblieben ist, trägt er heute einen polnischen Namen.«
»Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ja.«
»Es wäre wichtig, so jemanden zu finden.«
»Ich kann es versuchen. Nur machen Sie sich bitte keine allzu großen Hoffnungen. Die Familie von Krystyna Nowak ist in Trauer. Und so schnell jemanden in Cigacice oder Janekpolana aufzutreiben wird schwer. Ich kann schlecht von Tür zu Tür gehen und fragen, wer von den Einwohnern als Deutscher geboren wurde. Oder wie stellen Sie sich das vor?«
»Ich weiß es nicht.«
Er klang ratlos. Das wunderte sie, denn Vernau war in ihren Augen jemand, der ziemlich schnell auf alle Fragen eine Antwort hatte, mochte sie richtig sein oder nicht.
»Sie wollen Marek Zieliński helfen«, begann sie vorsichtig. »Aber diesem Thema sollte man sich nur sehr behutsam nähern. Vor allem, wenn man aus Deutschland kommt.«
»Es würde mir nie einfallen, ein ganzes Volk über einen Kamm zu scheren. Ist es zu viel verlangt, Ähnliches von anderen zu erwarten?«
»Nein. Doch so schnell geht das nicht mit dem Vergessen. Alte Wunden werden immer wieder aufgerissen. Ich werde alles versuchen, damit Sie an der Vernehmung von Marek teilnehmen können, falls es jemals dazu kommt. Ich glaube, es war einfach ein unglückliches Zusammentreffen, das eskaliert ist.«
»Das glaube ich nicht.«
Sie zog an ihrer Zigarette. »So? Was soll es denn sonst gewesen sein?«
»Ein Déjà-vu.«
»Ein Déjà-vu?«, fragte sie ratlos.
»Marek hat in Horst Schwerdtfeger jemanden wiedererkannt, dem er neunzehnhundertfünfundvierzig schon einmal begegnet ist.«
»Das verstehe ich nicht. Wen soll er erkannt haben?«
»Schwerdtfegers Großvater. Den alten Eigentümer der Siedlung Johannishagen.«
Ihr kam Rauch in die Augen, und sie musste blinzeln.
»Walther Hagen hat sich im Weinberg versteckt gehalten. Weit über das Kriegsende hinaus. Marek war damals ein kleiner Junge. Er hatte vom Fenster des Kutscherhauses einen direkten Blick auf Walther Hagens Versteck. Ich bin mir sicher, dass die beiden sich begegnet sind. Sonst hätte er Schwerdtfeger nicht angegriffen. Die Hagens sehen sich in der männlichen Linie sehr ähnlich. Groß, kräftig, dunkelhaarig.«
»Sie denken …«
»Ich will wissen, was sich damals abgespielt hat. Warum der Friedhof gemieden wurde. Und was aus Walther Hagen geworden ist.«
»Letzteres ist Ihr Job. Das werden Sie in Deutschland wohl schneller herausfinden als ich in Cigacice.«
»Okay, dann haben wir ja eine wunderbare Arbeitsteilung.«
Sie musste gegen ihren Willen lächeln. Einen Moment überlegte sie, wie es wäre, wenn sie öfter zusammenarbeiten würden. »Was, wenn wir gefunden haben, was wir suchen?«
»Dann wissen wir, ob Marek die Tat begangen hat.«
»Ob? Nicht warum?«
»Ich bin ein großer Anhänger der Unschuldsvermutung«, sagte er und legte auf.
Sie ließ die Zigarette auf den Boden fallen und trat sie aus. Bevor sie ins Haus ging, atmete sie tief ein und aus und wickelte ein Pfefferminzbonbon aus. Ihre Mutter hasste es, wenn sie nach Rauch roch. Es war kurz nach fünf. In einer halben Stunde würde ihr Vater von der Arbeit nach Hause kommen. Um sieben gab es Essen. Ali schlief. Cigacice war mit dem Auto keine Viertelstunde entfernt.
Sie änderte den Kontakt in ihrem Telefonbuch von Vollidiot auf Vernau. Dann rief sie ihrer Mutter zu, dass sie noch einmal kurz wegmüsste und sie mit dem Essen nicht auf sie warten sollten. Es gab zwei wichtige Gründe, diesen Besuch nicht auf die lange Bank zu schieben. Der eine war Marek. Der andere, dass auch sie Unschuldsvermutungen mochte.
32
Ich kam kurz vor sieben in Berlin an und warf noch einen Blick in die verwaiste Kanzlei, die ich in dieser Woche kaum von innen gesehen hatte. Tiffy war so nett gewesen, meine Post ungeöffnet als kleinen Stapel auf meinem Schreibtisch zu hinterlassen. Dazu hatte sie einen Zettel geschrieben.
Lieber Herr Vernau,
Giorgio sagt, John und Nicky sind sehr nett. Giorgio kennt Nicky nicht sehr gut, aber er kennt jemanden, der sie von Marbella her kennt. Da war sie DJ oder so was und hat ihren ersten Mann kennengelernt. Sie ist später nach London und hat da bei einem Auktionshaus gearbeitet. Christie’s war es aber nicht. Ich glaube, Popper oder Hopper oder so. Jetzt arbeitet sie in der Fasanenstraße. Ich habe eine Einladung, aber wir können nicht hin. Ich habe unsere Hochzeitsliste beigelegt. Sie müssen nur
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