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Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)

Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Republik hineingeboren, Staatsbürger eines freien, vereinten Europas, stolz und selbstbewusst. Ein paar Ewiggestrige konnten sie nicht erschüttern. Aber die Eltern, die Großeltern. Die Alten, die zitterten, wenn sie von dem erzählten, was sie in ihrer Jugend erdulden mussten. Eine verlorene Jugend, so hatte ihre geliebte babcia gemurmelt. Ihre Großmutter hatte als Achtjährige die eigenen Eltern begraben müssen. Verlust war der große gemeinsame Nenner.
    »Das bringt nichts Gutes«, sagte Weronika stirnrunzelnd, obwohl sie gar nicht wusste, worum es sich handelte. »Ich bin froh, dass mit unserem Haus alles seine Richtigkeit hat.«
    Das Haus war ein kleiner Bungalow aus den sechziger Jahren am Stadtrand mit einem nachträglich aufgesetzten Dachgeschoss. Früher einmal von saftigen Wiesen und grünen Wäldern umgeben, war er mittlerweile von den gierigen Armen eines wuchernden Industriegebietes umzingelt. Direkt nebenan befand sich eine Spedition. Der Krach und der Dreck der Lkws waren manchmal unerträglich.
    »Mama!«
    Ali kam in die Küche gerannt und umklammerte ihre Beine. Zuzanna hob das Mädchen hoch, drückte es an sich und küsste ihm die Tränen von den Wangen.
    »Nicht weggehen!«
    »Aber ich komme doch wieder. Bis dahin passt babcia auf dich auf.«
    »Ich will nicht! Ich will nicht!«
    Wütend presste die Kleine die Hände gegen Zuzannas Brust. Wie ein Aal wand sie sich, bis Zuzanna sie mit einem Seufzer zu Boden gleiten ließ. Ali kroch unter den Küchentisch. Dort würde sie bleiben, bis ihre Mutter gegangen wäre. Jedes Mal ein Drama, jedes Mal zwei zerschnittene Herzen, ein großes und ein kleines.
    »Du solltest nach Zielona Góra ziehen.«
    »Es gibt hier zu wenig zu tun. Die Leute sind zu brav.« Zuzanna trat auf ihre Mutter zu und küsste sie auf die Wange.
    »Deshalb mache ich mir Sorgen um dich, moje dziecko – mein Kind. Was ist das für ein Mann, den du da vertrittst? Ein Mörder. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass du jeden Tag einem Mörder begegnest.«
    »Er sitzt in Untersuchungshaft. Er hat das Recht auf einen Anwalt.«
    »Warum du? Warum kann das nicht jemand anders machen?«
    Weil ich das Geld brauche? Weil dies mein erster großer Prozess sein könnte? Alles wird gut. Er hat gestanden. Die Beweisstücke bestätigen seine Schuld. Und dieser Grundbuchauszug – er ist das Motiv. Das letzte Steinchen im Mosaik. Auch in Janekpolana ist die Angst umgegangen … Ich werde für Jacek Zieliński ein mildes Urteil herausschlagen, denn es war eine Tat im Affekt aus gutem Grund. Jeder wird das verstehen, auch die Richter.
    Das Einzige, das sie nicht verstand, war Vernau. Warum hatte der Berliner Anwalt, der von Zielińskis Unschuld überzeugt war, ihr dieses letzte fehlende Puzzleteil auf dem Silbertablett serviert?
    »Es ist, wie es ist. Mama, wir haben doch schon so oft darüber geredet. Ich komme dann am Wochenende.« Sie ging in die Hocke und streckte die Arme aus. »Komm zu mir, Ali. Gib deiner Mami einen Kuss.«
    Die Kleine hatte die Knie angezogen und schüttelte trotzig den Kopf. Mit einem Seufzen erhob sich Zuzanna und griff nach ihrer Aktenmappe.
    »Bis Samstag.«
    Weronika legte das Messer weg und wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab. Als ob das gegen Rote Bete helfen würde. Sie hob die Arme, um Zuzanna nicht zu berühren, und küsste ihre Tochter auf beide Wangen. »Bis Samstag.«
    Ali schluchzte leise und bekam einen Schluckauf. Zuzanna spürte, wie ihr ebenfalls die Tränen in die Augen stiegen. Hastig wandte sie sich ab und lief hinaus.
    Der Ruf »Mama! Mama!« gellte in ihren Ohren, bis sie um die Ecke gebogen war.

20
    Krystyna Nowak wartete bis zur Mittagspause. An diesem Tag war sie mit der Frühsitzung an der Reihe. Es gab zwei Tischzeiten, und sie hatte die Aufsicht über die erste. Die ersten Gäste trafen um kurz vor zwölf ein. Sie hatte eine blütenweiße Halbschürze angezogen und begrüßte die Eintreffenden an der Tür zum Speisesaal.
    »Guten Tag, Herr Neuner. Wie geht es Ihnen? Darf ich Sie zu Ihrem Platz bringen?«
    »Guten Tag, Frau Kahl-Westermann. Ist Ihre Migräne schon besser geworden?«
    »Guten Tag, Frau Schurmeister. Heute ist ein Päckchen für Sie gekommen. Darf ich es Ihnen später auf Ihr Zimmer bringen?«
    Ihr Deutsch war gut geworden, sehr gut. Das kam vom Zuhören. Krystyna kannte die Lebensgeschichten der meisten in- und auswendig. Frau Schurmeister hatte mit ihrem Mann ein Einrichtungshaus geleitet. Entstanden war es aus der

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