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Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)

Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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selbst die feuchte Luft nichts anhaben konnte. Die letzten Hinterlassenschaften von verstorbenen Gästen, die niemand abgeholt hatte.
    Krystyna interessierte sich nicht dafür. Sämtliche Kartons, so stand es in den Kondolenzschreiben, die den Hinterbliebenen zugingen, wurden nach Ablauf einer Frist ungeöffnet vernichtet.
    Hagens Kiste stand in einem der unteren Fächer. Krystyna musste sich bücken, um den Deckel anzuheben. Sie hielt den Atem an, als ihr Blick auf den Bilderrahmen fiel, der zuoberst lag. Das Foto seiner Eltern. Walther und Rosa, so waren ihre Namen, das hatte der alte Hagen ihr erzählt. Er hatte ihr vertraut. Und sie hatte …
    Die Tür hinter ihr fiel zu. Rumms.
    Krystynas Blut erstarrte zu Eis. Der Schock erreichte ihre Haarwurzeln, ihre Nervenenden, ließ jede Faser ihres Körpers gefrieren. Langsam, ganz langsam erhob sie sich und ging zur Tür. Blieb stehen, lauschte. Versuchte, die Panik zu unterdrücken. Sie streckte die Hand nach der Klinke aus.
    Die Tür ließ sich öffnen. Mit jagendem Puls blickte sie in die Kellerflucht – es war niemand zu sehen. Sie war allein. Sie ließ die Tür los, trat einen Schritt zurück und beobachtete, was passierte. Langsam, ganz langsam wollte sie von alleine wieder ins Schloss fallen.
    Mit einem Aufatmen machte Krystyna sie hinter sich zu und ging zurück zum Regal. Sie zog den Karton heraus und stellte ihn auf den Boden. Dann durchwühlte sie Hagens letzte Schätze, bis sie gefunden hatte, wonach sie suchte: den Schlüssel.
    Ein Schlüssel ohne Schloss. Sie musste ihn in Sicherheit bringen. Dieser Mann, der heute aufgetaucht war. Sie hatte gewusst, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Wie er sie angesehen hatte, als sie in Frau Wittichs Büro gekommen war. Seine Fragen zu Hagens Tod. Das Märchen von seiner Mutter und dem bestickten Schnupftuch. Es streckte mehr hinter seinen Fragen. Viel mehr. Es war ein Irrtum, dass sie geglaubt hatte, die Geister ließen sich einschließen. Von wegen. Sie kamen aus allen Ecken, und alle wollten diesen Schlüssel. Sie dachte an Lenka, ihre süße Tochter, die ein Jahr in Amerika studieren wollte und ein Auto brauchte. An ihren Jüngsten, Tom, der von Diesel-Jeans und Hollister-Sweatshirts träumte. Von einem iPod. Einem eigenen Laptop. Das Geld würde nicht reichen, um mitzuhalten . Du warst treu , Mama. Treu bis zum Ende. Ich bin schlau.
    Das Metall klirrte leise, als sie das Diebesgut in ihre Schürzentasche gleiten ließ. Wenn sie an den Moment dachte, als sie ihn zum letzten Mal in der Hand gehalten hatte, wurde ihr übel.
    Er hätte nicht mehr lange gelebt. Ich war sein Engel. Sein Todesengel. Er hat noch nicht einmal mehr das Messer öffnen können.
    Krystyna legte den Deckel auf den Karton und schob ihn zurück. Wenn ihn bisher niemand abgeholt hatte, würde es auch in nächster Zukunft nicht geschehen. Die Leute kümmerten sich nicht um ihre Alten. Sie gierten nach dem letzten Schmuck, nach einer abgetragenen goldenen Armbanduhr, nach Bargeld, Aktien, vielleicht noch nach einem Pelz. Aber nicht nach den Fotos, den Briefen, den Postkarten, dem Taschenmesser. Sie hatten alles schon längst geholt und den Rest der Putzbrigade überlassen, die die Schubladen leerte, die Matratzen anhob, den Kleiderschrank ausräumte und selbst die kleinsten Verstecke fand. Natürlich auch den Safe. Alles wurde ausgeräumt. Alles wanderte in die Pappkartons.
    Krystyna wusste, dass manche Kisten schon zehn Jahre und länger hier unten standen. Sie wurden nicht vernichtet. Sie wurden irgendwann nach oben gebracht, geöffnet, und wenn etwas dabei war, das zu behalten oder zu verkaufen sich lohnte, so wurde es behalten oder verkauft. Der Rest kam in den Müll.
    Sie verließ den Raum, schaltete das Licht aus und schloss sorgfältig ab. Dann durchquerte sie den Keller und stieg die Treppe hoch. Auf halbem Weg ging das Licht aus. Sie fragte sich, ob es seit Neuestem auch eine Zeitschaltuhr für den Keller gab, und tastete sich ärgerlich weiter nach oben. Es fehlten noch fünf Stufen, da wurde die Tür geöffnet. Das Licht blendete sie. Sie konnte die Gestalt, die über ihr stand, nicht erkennen. Rasch wappnete sie sich mit einer Ausrede.
    »Christina.«
    Sie hob eine Hand, um ihre Augen besser vor der Helligkeit zu schützen. Es war die Hand, mit der sie sich am Geländer festgehalten hatte. Die Hand, die ihr fehlte, als der Schlag sie traf und sie die vielen Stufen hinunter ins Dunkel stürzte.

21
    Cordt Sinters Kanzlei befand sich in

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