Versunkene Gräber - Roman
nicht dein Terrain.
»Sie sind keine Übersetzerin.«
Ach. Wenigstens das hast du begriffen.
»Und Sie sind nicht sein Anwalt. Zeigen Sie uns Ihre Legitimation.«
»Oh ja. Selbstverständlich.«
Sinter holte seinen Ausweis hervor und legte ihn vor Krajewski und Marek auf den Tisch, der das Plastikkärtchen verständnislos ansah.
Sie wandte sich an Marek. »Herr Zieliński. Haben Sie diesen Mann als Ihren Anwalt angefordert?«
Kopfschütteln.
»Wer hat ihn dann informiert?«
Schulterzucken.
Sinter steckte die Karte weg. »Was sagt er?«
»Er möchte Ihre Vollmacht sehen«, log sie.
»Ich brauche keine Vollmacht. Ich bin hier, weil ich die Familie des ermordeten Horst Schwerdtfeger vertrete.«
»Eben noch haben Sie gesagt …«
»Was interessiert mich mein Geschwätz von eben. Bis eben waren Sie auch noch Dolmetscherin. Wenn es jemals zu einem Prozess kommt, bin ich der Anwalt der Nebenkläger. Glücklicherweise ist die Staatsanwaltschaft von Zielona Góra deutlich kooperativer als die Polizei. Also hören Sie jetzt mit diesem Zuständigkeitsgerangel auf. Ich habe ein Recht, mir ein Bild über den Stand der Ermittlungen zu machen!«
»Aber nicht so! Nicht, indem Sie sich fälschlicherweise als Anwalt dieses Mannes ausgeben! Warum wollen Sie ihn mitnehmen?«
»Übersetzungsfehler«, sagte er mit einem triumphierenden Grinsen.
»Verlassen Sie sofort diesen Raum!« Zuzanna wandte sich an Krajewski und fuhr auf Polnisch fort: »Ich bin die Pflichtverteidigerin seines Sohnes. Ich möchte gerne auch dem Vater zur Seite stehen. Falls nichts dagegenspricht, möchte ich Einsicht in Sobczaks Protokoll haben. Ich war heute Morgen bei der Festnahme dabei.«
Der Kommissar nickte. »Von meiner Seite aus spricht nichts dagegen, sobald Sie sich mit einem Mandat legitimieren können. Wer ist dieser Mann, dieser Sinter? Kennen Sie ihn?«
»Nein. Er vertritt auf deutscher Seite die Nebenklage. Also die Gegenseite. Er hat sich mit falschen Angaben zu seiner Person hier Zutritt verschafft.«
Krajewski nickte. »Interessant. Ich wusste gleich, dass mit dem Mann etwas nicht stimmt.«
Sinter wagte einen letzten Angriff. »In welche Klinik soll Herr Zieliński gebracht werden? Wann haben wir die Möglichkeit, mit ihm zu sprechen?«
»Gar nicht«, antwortete Zuzanna wütend, um dann weiter mit dem Polizisten zu reden. »Ich weiß nicht, was er vorhat. Ich traue ihm nicht. Werfen Sie ihn raus.«
Sie lächelte Sinter böse an. Krajewski zog die Lippen zusammen.
»Was werden Sie mit Marek Zieliński machen?«, fragte sie ihn.
»Er wird in eine Klinik kommen.« Das Wort Psychiatrie hing unausgesprochen im Raum. »Er hat gestanden, diesen Schwerdtfeger Samstagnacht erschlagen zu haben. So, wie er sich bei seiner Festnahme gewehrt hat, ist es ihm zuzutrauen. Er war derjenige, der den Overall und die Stiefel anhatte. Seine Fingerabdrücke sind ebenfalls an der Tatwaffe gefunden worden. Der DNA-Abgleich wird zu demselben Ergebnis kommen. Als sein Sohn festgenommen wurde, ist er einfach in irgendwelche Klamotten gesprungen, die irgendwo herumlagen. Das konnten die Kollegen nicht wissen.«
Ja, dachte Zuzanna. Das hat noch nicht einmal Jacek Zieliński gewusst, als er in einen der ausgewaschenen blauen Overalls und ein Paar Arbeitsstiefel geschlüpft ist, bevor sie ihn im Streifenwagen nach Poznań gebracht haben. Doch er hat es geahnt. Irgendwann muss es ihm aufgegangen sein. Er hat die ganze Zeit seinen Vater geschützt. Wahrscheinlich kennt er diese Geschichten seit seiner Kindheit. Geschichten von bösen Menschen, die immer wieder aus den Gräbern kommen, ihnen alles wegnehmen wollen und erschlagen werden müssen.
Ich habe mich in ihm getäuscht.
Der Gedanke versetzte ihr einen Stich. Ich habe ihm nicht geglaubt, dachte sie, und er hat es die ganze Zeit gespürt, während er für seinen Vater den Kopf hingehalten hat.
Verrückt. Ein Irrenhaus .
»Also dann?« Sinter blickte siegessicher von einem zum anderen.
»Nie« , sagte Krajewski und stand auf.
Na endlich. Das wurde aber auch Zeit.
Sinter stand ebenfalls auf. »Das heißt nein. So viel Polnisch verstehe ich immerhin. Ich werde mir das nicht bieten lassen. Sie hören von mir. Ich komme wieder.«
»Ich würde Ihnen raten, so schnell keinen Fuß mehr in die Kommandantur zu setzen«, konterte Zuzanna. »Es könnte sein, dass Sie nicht wieder herauskommen.«
»Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.« Er verließ den Raum.
Sie wandte sich an Jaceks Vater. »Auf
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