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Versunkene Gräber - Roman

Versunkene Gräber - Roman

Titel: Versunkene Gräber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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eine halbe Tür zertrümmert. Spätestens in diesem Moment war ihr klar geworden, welche Kräfte in diesem alten Mann schlummerten. Und welche fürchterlichen Ängste.
    Sie wandte sich an Sinter. »Er hat alles gestanden. Aber die Aussage ist nicht rechtskräftig.«
    Sinter nickte. Für einen Moment sah er sehr zufrieden aus. »Fragen Sie ihn, zu welcher Tür dieser Schlüssel hier gehört.« Er holte ein Ungetüm aus Eisen und Messing aus seiner Tasche.
    Krajewski beugte sich vor und nahm es Sinter aus der Hand. »Was ist das?«
    »Was ist das?«, fragte Zuzanna auf Deutsch.
    Der Anwalt lächelte. »Ein Schlüssel. Das sehen Sie doch. Fragen Sie ihn, wohin er gehört.«
    Tastend, zitternd schob Marek seine Hand zu Krajewski und wollte nach dem Schlüssel greifen. Der Kommissar sah fragend zu Sinter, der nickte wohlwollend.
    »Eine Kindheitserinnerung«, erklärte der Deutsche freundlich. »Mein Mandant braucht ab und zu vertraute Dinge um sich.«
    Du kennst ihn doch gar nicht. Was soll dieses Theater?
    Ehe der Polizist reagieren konnte, hatte Marek den Schlüssel geschnappt. Interessiert betrachtete er den Anhänger.
    »Sehen Sie? Er erinnert sich. Los. Fragen Sie. Fragen Sie!«
    Zuzanna beugte sich vor. »Marek, was hat dieser Schlüssel mit dem Toten auf dem Friedhof zu tun?«
    Der alte Mann schüttelte den Kopf. Er zitterte. Er hatte Angst. »Ich wollte das nicht tun«, wimmerte er mit kleiner Stimme. »Ich wollte es nicht.«
    »Was, Marek?«
    »Ich hab gewusst, dass er wiederkommt. All die Jahre hab ich es gewusst.«
    »Was sagt er?«, bellte Sinter.
    Zuzanna fuhr zu ihm herum. »Er weiß es nicht«, zischte sie wütend. »Er sagt immer wieder, dass er es nicht wollte.«
    »Dass er was nicht wollte?«
    »Den Mord natürlich.«
    »Welchen Mord? Fragen Sie ihn, welchen Mord!«
    »Wie bitte?«
    »Sagen Sie mal, für was werden Sie eigentlich bezahlt? Welchen Mord!«
    Zuzanna beugte sich vor, so weit es ging, und legte eine Hand auf Mareks Arm. »Was haben Sie nicht gewollt?«
    Der alte Mann ließ die Hände sinken und legte den Schlüssel auf den Tisch. »Alle sind tot«, flüsterte er. »Alle.«
    »Hat dieser Schlüssel etwas mit den Toten zu tun?«
    Marek nickte.
    »Was?«
    »Er schließt das Tor zu ihnen auf.«
    Zuzanna schob das schwere Ding zurück zu Sinter. Dabei fiel ihr der Anhänger auf. Ein Rabe, der auf einer Traube saß. Mit einem Mal hatte sie eine Tür vor Augen. Eine große, herrliche, barbarisch zerstörte Tür.
    »Woher haben Sie diesen Schlüssel?«
    Ihr Herz klopfte so stark, dass sie Angst hatte, Sinter könnte es bemerken. Oder dass der Kommissar es bemerken könnte, der so tat, als ob er genauso wenig Deutsch verstand wie Sinter Polnisch. Dabei hatte sie die ganze Zeit schon das Gefühl, dass der junge Kriminalist mehr mitbekam, als er zugab.
    Doch der Anwalt war zu wütend, um auf sie zu achten. »Das geht Sie nichts an. Sie sollen ihn nach dem Mord fragen!«
    »Ich verstehe Sie nicht.«
    »Dafür werden Sie auch nicht bezahlt. Ist das klar? Fragen Sie ihn, ob er sich erinnert. Fragen Sie ihn nach dem Weinkeller.«
    »Was?«
    Sinter presste die Kiefer zusammen. Es sah aus, als würde er kleine Kieselsteine mit seinen Zähnen zermalmen. »Ich will wissen, woran er sich bei diesem Schlüssel erinnert. Los.«
    »Marek«, sagte Zuzanna leise. »Wohin führt die Tür, die zu diesem Schlüssel gehört?«
    Marek schüttelte den Kopf. Wieder und wieder. »Ins Dunkle«, murmelte er. »Ins Dunkle und ins Leere und zu den Toten.«
    Krajewski blickte scharf von einem zu anderen. »Was hat das zu bedeuten?«
    »Ich nehme an«, antwortete ihm Zuzanna, »dass dieser Schlüssel etwas mit seinem Trauma zu tun hat. Im weitesten Sinne könnte es uns vielleicht verraten, warum Herr Zieliński glaubt, dass ständig Tote wiederkehren, die er erschlagen muss.«
    »Ich verstehe. Aber sollte man das nicht lieber einem Fachmann überlassen?« In seinem Ton schwang unmissverständlich mit, was er von Sinter hielt.
    »Ich bin mit Ihnen völlig einer …«
    Sinter unterbrach sie. »Was ist?«
    »Er kann sich nicht erinnern.«
    »Sie lügen. Fragen Sie ihn. Er muss es wissen.«
    »Warum ist das so wichtig?«
    Der Anwalt griff über den Tisch und steckte den Schlüssel gemeinsam mit Aktenmappe und Füller in seinen Koffer. Schluss mit der Scharade, schien er damit sagen zu wollen. Sein Gesicht war wie aus Stein gemeißelt, doch in ihm brodelte es. Er war es gewohnt, dass andere in seiner Gegenwart spurten.
    Das hier ist

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