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Versunkene Gräber - Roman

Versunkene Gräber - Roman

Titel: Versunkene Gräber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Summe haben wir nicht geredet, aber dieser Schwachkopf meinte, Geld wäre kein Problem. Er hätte starke Partner. Dann hat er gekichert. Ich glaube, er hatte ein Rad ab. Seine Schwester war vernünftiger. Die schien dem allem nicht zu trauen, genau wie ich. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, ich sollte verladen werden. Die hatten ja von noch weniger eine Ahnung als ich. Ich hab abgelehnt.«
    Gut. Eine der wenigen weisen Entscheidungen mit Weitblick in Jaceks Leben.
    »Woher hatte Schwerdtfeger das Geld?«
    »Hat er nicht gesagt. Interessiert mich auch nicht. Immer wieder war Thema, dass er hier reinwollte. Das ist mir auf den Senkel gegangen. Ich will das nicht. Das ist mein Land, mein Haus, mein Grund und Boden.«
    »Stand er unter Druck?«
    »Druck?« Jacek gab den unwürdigen Versuch, Geschirr zu spülen, auf. Er setzte sich wieder zu mir an den Tisch. »Ja. Wenn du mich so fragst, ich glaube, er hatte Druck. Vielleicht von seiner Schwester. Die wollte ständig abbrechen und gehen. Irgendwann ist ihr der Kragen geplatzt, und sie meinte, er soll aufhören mit dem Mist und mit seiner Kohle eine Kreuzfahrt machen.«
    »Seiner Kohle?«, fragte ich.
    »Ja. Da hat er sie angefaucht und meinte, das ginge sie gar nichts an. Und er würde Leute kennen, da würde sie nur von träumen. Die haben sich nur noch gestritten. Da bin ich aufgestanden und abgehauen.«
    »Zeig mir den Weinberg«, sagte ich. Vielleicht kam mir dabei eine Idee, wonach Schwerdtfeger gesucht haben könnte.
    Jacek grinste mich an. »Ich dachte schon, du würdest nie fragen.«

30
    Es war ein elender Aufstieg. Während Jacek vor mir wie ein junges Reh Terrasse um Terrasse erklomm, hechelte ich außer Atem hinter ihm her. Als wir den Gipfel erreichten, lief mir, trotz der scharfen Brise, die dort oben wehte, der Schweiß den Rücken hinunter.
    Doch der Anblick entschädigte für die Mühe. Zu unseren Füßen schlängelte sich das silberne Band der Oder von Horizont zu Horizont. Die Wolken jagten über einen sommerblauen Nachmittagshimmel. Sanft gewellte Wiesen und Felder wechselten sich ab mit dunklen Wäldern, die wild und urwüchsig bis ans Wasser reichten.
    Der Weinberg mündete auf seinem Gipfel in eine flache Ebene. Kniehohes Gras tanzte mit dem Wind. Über uns flog ein Schwarm Stare. Sein Ziel lag im Süden. Richtung Zielona Góra, vielleicht auch zu einem der kleinen Dörfer mit den spitzen Kirchtürmen. Er breitete sich elegant aus wie ein Tuch und zog sich dann wieder zu einer dichten Formation zusammen. Es war ein Anblick für Könige. Das und das weite Land zu unseren Füßen.
    »Schön«, schnaufte ich.
    Jacek stand nah am Abhang, hoch aufgerichtet wie ein Piratenkapitän am Bug seines Kaperschiffs, den rechten Fuß auf einen Stein gesetzt. Wäre ich Bildhauer oder Maler, würde ich sagen: so bleiben und keinen Millimeter rühren. Das Herz dieses heimatlosen Herumtreibers hatte seinen Anker ausgeworfen. Er war angekommen.
    »Vier Hektar Hanglage Süd«, sagte er. »Dazu nächstes Jahr zwei Hektar Südost, wenn ich das schaffe.«
    Ich trat vorsichtig neben ihn. Der Weinberg war eine Herausforderung. Die Südostlage schmiegte sich wie eine schützende Hand um die Siedlung und den Friedhof. Doch die Terrassen waren zerfallen und von Unkraut überwuchert, an manchen Stellen hatten kleinere Erdrutsche die mühselige Arbeit von Generationen zerstört. Den Rest hatten die Zeit, eine gefräßige Natur und die Witterung erledigt.
    »Das ist es wert, nicht? Die ganze Mühe. Den Schweiß. Die Arbeit.«
    Er nickte. »Vielleicht steigt noch Wendel von Cigacice ein. Der zieht das richtig professionell auf. Mit Hotel und Restaurant und so. Hat sein Geld mit Möbeln gemacht, und jetzt versenkt er es im Wein. Vielleicht auch bei mir. Ist aber noch ein mächtiges Stück Weg.«
    »Der weiteste Weg beginnt mit dem ersten Schritt.«
    »Danke. Schlaumeier. Komm im Herbst zur Lese und hilf mit Taten statt mit Worten.«
    »Mach ich.«
    Überrascht sah er mich an.
    »Ja, mach ich. Versprochen. Wenn ich dafür ein paar Kisten von deinem Roten bekomme?«
    »Klar. Ich hab auch noch Aprikosenschnaps.«
    »Nein, danke.«
    »So schlecht ist er nun auch wieder nicht.«
    Langsam begannen wir den Abstieg über den wieder aufgebauten Südhang. Jacek blieb ab und zu stehen und zeigte mir die Rebstöcke. Während er mir seine Arbeit erklärte, gelangten wir auf sehr gemächliche Weise nach unten zur Straße. Sie führte rechts nach Janekpolana. Vor einigen Häusern standen

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