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Versunkene Gräber - Roman

Versunkene Gräber - Roman

Titel: Versunkene Gräber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Autos. Ich erkannte eine einsame Bushaltestelle.
    »Hast du Kontakt zu den Leuten?«
    »Wenig. Irgendwie ist ihnen die osada suspekt. Mir ist es recht.«
    Wir wandten uns nach links, kamen hinter die Biegung und waren nur noch zwanzig Meter vom Kutscherhaus entfernt, als mir im Hang dahinter etwas auffiel, das ich vorher noch nicht gesehen hatte. Im Berg gähnte ein dunkles Loch. Bisher hatte die kleine Kate den Blick darauf verstellt. Man sah es erst, wenn man sich, am Fuß des verwilderten Weinbergs entlang, der Siedlung von hinten näherte.
    »Was ist das?«
    »Der alte Weinkeller. Willst du ihn sehen?«
    Der Eingang war ungefähr dreimal drei Meter groß und erinnerte an das Mundloch eines Stollens. Jacek ging voran und schlug eine Bresche durch die Brennnesseln und Disteln. Als wir davorstanden, erkannte ich die zerborstenen Reste eines gepflasterten Weges, der einstmals vom Keller am Kutscherhaus vorbei in den Hof geführt haben musste. In die Stützquader links und rechts waren Zargen eingelassen. Der Rost hinterließ tropfende Spuren auf den Steinen. Es sah aus wie uraltes getrocknetes Blut.
    »Die Tür habe ich gerettet«, verkündete Jacek stolz. »Schon vor Jahren. Die war völlig kaputt. Irgendwann setze ich sie wieder ein, und dann mache ich eine Weinbar aus dem Keller.«
    Keine schlechte Idee. Wenn das Gut erst einmal florierte, kämen sicher Besucher, die nicht nur Wein kaufen, sondern ihn auch probieren wollten. Doch bis es so weit war, musste noch viel getan werden. Der Raum hinter dem Eingang war riesig. Der Boden bestand aus festgetretener Erde, die Wände waren dunkel von Staub und Spinnweben. Zerbrochenes Holz, Glasscherben und halb verbranntes Papier rotteten vor sich hin.
    »Schwarze Leute?«, fragte ich und deutete auf die Hinterlassenschaften. Jacek schüttelte den Kopf.
    »Nein. Die trauen sich nicht hierher. Eher auf den Friedhof. Aber nicht in den alten Weinkeller. Mein Großvater hatte ein Auge drauf. Keiner wollte Stress mit ihm. Alles hier drin ist noch so wie vor siebzig Jahren.«
    Ich bückte mich nach einem der Papierreste. Er musste aus einer Zeitung stammen, uralt, vergilbt, von der Feuchtigkeit zerfressen. Ich meinte, noch ein paar polnische Worte lesen zu können, vielleicht irrte ich mich auch.
    »Das ist alles so geblieben?«
    »Na ja, nicht ganz. Die Russen haben den Keller wohl als Erste entdeckt. Was dann kam, kannst du dir denken. Alles leergesoffen. Die Nächsten waren die Siedler. Die haben sich geholt, was sie noch gebrauchen konnten. Als mein Großvater kam, waren sogar die leeren Fässer weg. Bis auf die ganz hinten an der Wand. Er hat die Tür verrammelt und Holz davorgesetzt, damit auch wirklich keiner reinkam. Die Leute dachten, hier wäre noch was zu holen, ständig trieben sich irgendwelche Gestalten hier herum. Dabei haben die meisten, die was zu verstecken hatten, ihre Schätze im Wald vergraben, damit sie besser rankommen.«
    Er ging ein paar Schritte in die Dunkelheit hinein. Wenig später flammte Licht auf. Es kam von einer Baustellenlampe. Das Stromkabel schlängelte sich auf dem Boden an mir vorbei durch den Eingang hinaus Richtung Kutscherhaus.
    »Komm. Ich will dir was zeigen.«
    Er nahm die Lampe vom Haken und ging voraus. Die Gewölbedecke war mindestens fünf Meter hoch. An den Wänden waren noch Bohrlöcher zu erkennen und der eine oder andere rostige Holm, der aus dem rieselnden Putz ragte.
    »Siehst du das?«
    Ich blinzelte ins Schwarze. Jacek hielt die Lampe hoch und leuchtete die Rückwand des Kellers ab. Dort eingelassen befand sich eine niedrige Tür.
    »Was ist das?«
    »Ein Versteck. Es war früher hinter den Fässern, denke ich mir. Deshalb hat man es auch nicht gleich gefunden. Jemand hat da ein paar Wochen oder Monate überlebt. Frag mich nicht, wie, denn es ist kalt und feucht und finster. Irgendwann hat es die arme Sau erwischt.«
    »Da lag ein Toter?«, fragte ich entsetzt. Die Vorstellung, in dieser Dunkelheit über Wochen hinweg dahinzuvegetieren, ließ mich schaudern.
    »Ja«, raunte Jacek. »Der Zombie von Janekpolana. Bei Vollmond kriecht sein verwester Leib aus den Tiefen des Berges und holt sich die kleinen Kinder.«
    Er legte die Lampe auf den Boden ab, weil die Leitung nicht länger reichte. Unsere Schatten wurden zu Riesen. Aus den Tiefen seiner Hosentasche förderte er ein Feuerzeug zutage und ging voran.
    Die Tür ließ sich ohne Probleme öffnen. Sie hing nur noch halb in den Angeln, Jacek musste sie vorsichtig zur Seite

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