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Versunkene Gräber - Roman

Versunkene Gräber - Roman

Titel: Versunkene Gräber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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halfen.
    »Wen?«
    »Jacek. Er ist schon über vierzig, aber kräftig. Ledig. Katholisch. Keine Kinder. Wer soll das alles erben?«
    »Ich … ich weiß es nicht. Ich war nur auf Besuch. Ich bin eine Freundin, aber nicht seine Freundin. Das weißt du doch, Marek. Das hat er dir doch erklärt. Oder?«
    »Du hast unter seinem Dach geschlafen. Ich habe es gesehen.«
    »Was hast du noch gesehen?«
    »Euer Lagerfeuer«, sagte der Alte und grinste verschmitzt.
    Marie-Luise schob sich verlegen eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ja, das Lagerfeuer. Daran erinnere ich mich. Er hat seine Gitarre geholt und gespielt. Danach bin ich ins Bett gegangen. Allein, Marek.«
    »Und dann?«, fragte ich.
    Ein einsamer Ort in einem einsamen Landstrich. Märchen von Geistern und Gräbern. Ein alter Mann erblickt vom Fenster aus seinen Sohn mit einer Frau. Vielleicht lächelt er. Vielleicht ist er glücklich, dass Jacek, der verrückte Rumtreiber, jemanden mit nach Hause gebracht hat. Das ist ernst. Dem Vater eine Frau vorstellen. Der Alte geht ins Bett und hängt seinen Träumen von Enkeln nach. Die Frau steigt in die Dachkammer. Und Jacek … Jacek schürt das Feuer, hütet die Glut, vertreibt die Geister – und hat um zwei Uhr nachts eine Begegnung mit einem fremden Mann auf dem Friedhof.
    »Dann … hab ich geschlafen. Das muss der Wein gewesen sein, Marek. Er ist wirklich gut.«
    Der alte Mann brummte. Ihn interessierte nicht der Wein, sondern sein Sohn.
    »Warst du betrunken?«, fragte ich. Hoffentlich hatten sie ihr im Krankenhaus Blut abgenommen. Manchmal lag die Rettung in so einfachen Dingen.
    »Nein … ja. Ich weiß es nicht. Betrunken? Nein. Angetrunken, ja. Wir haben zwei Flaschen geleert, davon hatte Jacek das meiste intus.«
    Sie log. Ich spürte es, ich roch es geradezu. Sie hatte etwas gesehen, und sie konnte sich erinnern. Vielleicht nicht an alles. Aber auf jeden Fall an das, was ihr eine solche Angst eingejagt hatte, dass sie mitten in der Nacht davongelaufen war und bis jetzt nicht darüber reden wollte, was es gewesen war.
    »Wo hast du geschlafen?«
    »Drüben, im Haupthaus.«
    »Dürfen wir hinein?« Ich stellte diese Frage Marek. »Marischa muss sich ausruhen.«
    Der alte Mann überlegte und nickte dann. »Wann kann ich Jacek sehen?«, fragte er. »Das ist mein Sohn. Was ist mit ihm passiert? Leute haben ihn geholt.«
    »Sie werden ihn bald besuchen können. Das verspreche ich Ihnen.«
    Ich stand auf. Auch Marie-Luise erhob sich. Ich folgte ihr hinaus in einen gleißenden Sonnenaufgang.
    Von dem Siegel am Haupthaus waren nur noch Fetzen übrig. Ich vermutete, dass der alte Mann in seiner unbekümmerten Art dafür verantwortlich war. Drinnen sah es auf eine merkwürdige Weise unbewohnt und doch wieder belebt aus. Vielleicht lag es daran, dass Jacek, planlos wie er war, an allen erdenklichen Stellen mit den Renovierungsarbeiten begonnen, aber kaum eine abgeschlossen hatte. Tapetenbahnen waren halb von den Wänden gerissen, ein fleckiger Spiegel stand auf dem Boden in einer Ecke des kleinen Vorraums, wo er niemandem nutzte. Die Tür rechts war geschlossen. Ich wandte mich nach links, weil dort gar keine Tür im Rahmen war und ich das Rascheln hörte, mit dem Marie-Luise sich durch dünne Plastikfolien kämpfte, die auf dem Holzboden lagen. Vor langer Zeit waren die Bretter einmal ochsenblutrot gestrichen gewesen. Nun waren sie abgenutzt, voller Farbkleckse und Staub. Das musste das Wohnzimmer gewesen sein. Eine uralte, potthässliche Couch mit Kunstlederbezug stand unter einer leeren Fensteröffnung. Die Flügel lagen auf einem Tapeziertisch und sollten wohl abgeschmirgelt werden. Ein Durchgang führte in ein zweites, kleineres Zimmer, das auch nicht besser aussah. Dahinter befanden sich die Wirtschaftsräume – eine Küche, aus sämtlichen Restbeständen ehemaliger Mangelwirtschaft zusammengestellt, aufgequollener Pressspan und Kunststofffurnier, eine Unzahl von verrosteten Vorratsdosen und Einmachgläsern mit blassem, undefinierbarem Inhalt. Ich hatte den Verdacht, dass hier bis vor kurzem Marek gewohnt hatte. So sahen Küchen von echten Männern aus.
    Marie-Luise nahm einen Alutopf vom Gasherd und stellte ihn in den Spülstein, in dem sich dreckiges Geschirr zu einer Installation türmte, die Mutter und Hüthchen bestimmt entzückt hätte.
    »Wie lange wird hier schon auf diesem Niveau gebastelt?«
    Zweifelnd sah sie sich um. »Ein Jahr. Aber Jacek war die meiste Zeit im Weinberg. Früher hat er im Herbst

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