Versunkene Inseln
wunden Stellen meines Hirns zu sondieren. Offene Türen; nur ein einfacher Schritt von der Kontrolle der Einzelteile zur Kontrolle des Ganzen, ja. Doch meine Finger suchten noch immer nach Bestätigung an dem festen Boden und meine Lunge in der frostigen, trockenen Luft. Ja, ich war hier.
Daraufhin formte ich behutsam ein Bild vom Torbogen des Zimmers, stabilisierte es vor meinem inneren Auge und streichelte die offenen Zugänge meines Bewußtseins. Irgend etwas verschob sich sanft, und plötzlich lag ich unter dem Tor und spürte seine Wölbung an meiner Hüfte. Seltsam. Interessant. Kraft sickerte in mich zurück. Ich formte ein Bild der Treppe, holte tief Luft und transferierte. Tobias’ Servos glitten durch den Raum und zogen meinen leeren Naßanzug hinter sich her. Dann ganz rasch zum Eingang, bevor mir die Luft ausging. Welch ein eigenartiges Gefühl, der Wechsel von der kalten Trockenheit des verborgenen Raums ins unbewegte Wasser über der Treppe, dann diese unmittelbare Nähe zu den sanft zerrenden Strömungen des Meeres. Wie sonderbar die verschiedenen Blickpunkte – als würde eine 3-D-Sensishow durch eine Folge rascher Schnitte unterbrochen. Ich spähte durch die Moose und Algenkolonien und entdeckte die Ergkapsel von Tobias. Aber er wandte mir den Rücken zu. Tobias hatte versucht, mich umzubringen. Tobias? Mich? Tia? Ich wollte nicht, daß er mich sah, und meine Lunge verlangte nach neuer Luft. Also zurück in den Raum mit dem Tor – und Tobias und mein Entsetzen blieben irgendwo hinter mir zurück. Oh, die Unsterblichen können dies nicht zustande bringen, das vermag nur ich, Tia. Ich saß auf dem dunklen Boden eines dunklen Zimmers, war stolz und glücklich, klopfte mir selbst auf die Schulter und juchzte.
Kann ich in völliger Dunkelheit sehen? Nein, fragen allein genügt nicht. Durch welche Tür trete ich? Wie ist sie gekennzeichnet? Wo sind die Antworten auf meine Fragen?
Woraus bestehen meine Augen?
Hornhaut, Iris, Pupille, Linse. Sklera. Augapfelgefäßhaut, Glaskörper, Ziliarkörper. Netzhaut. Sehnerv. Aha.
Dies hier schärfen. Das dort verstärken, ja. Und das andere sensibilisieren. Ein mattes Meeresleuchten, ein trübes Glühen, und ich verändere, berühre, bewege. Diffuse Konturen in der Schwärze des Raums, verschieden dunkle Schatten. Oh, ich bin auf dem richtigen Weg, ich schaffe es, meine Kraft ist ausreichend. Ich bin gut, besser, die beste von allen, ich, Tia. Ich kann Dinge bewerkstelligen, von denen sie nicht einmal zu träumen wagen! Tanzen, singen, transferieren, schimmern – allein und einsam auf dem Meeresgrund, erfüllt von Leben und Glück!
47
Ich glaube, ich möchte etwas zu essen. Und auch etwas zu trinken. Ein bißchen Licht wäre nicht schlecht. Vielleicht auch ein wenig Wärme, obwohl ich mich inzwischen, glaube ich, recht gut an die Kälte gewöhnt habe. Frische Luft. Doch ich sollte nicht zuviel verlangen. Alles zu seiner Zeit. Etwas zu essen. Und etwas zu trinken.
Ich stieg langsam empor und glitt durch das klare blaue Wasser unter dem Bauch der Ilium. Weiches Meer, streichelnd auf meiner Haut, kühler, strömender und mich einhüllender Satin, durch wogendes Haar und über die Augen fließendes Quecksilber. Die Wogen zogen sich träge dahin, und ich drehte mich hin und her, eingehüllt, geborgen, von zärtlichen, nassen Armen getragen, die Königin der Ozeane, die Herrin der Meere. Ich sah mich um, blickte auf trübe, zitternde Konturen und wunderte mich über ihre so undeutlichen und verschwommenen Details. Was stimmt hier nicht? Ich zwinkerte, schielte erneut auf die unklaren Formen und spürte kurzes Mißbehagen, das mir über den Rücken strich. Warum kann ich nicht
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