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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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im Stu­por {2} , die Ge­dan­ken durch­tränkt von glän­zen­den Bil­dern, von Ge­rü­chen und Ge­räuschen, von Ge­schmacksan­deu­tun­gen und Be­rüh­run­gen, den Kör­per sorg­fäl­tig an die Le­bens­er­hal­tungs­sys­te­me an­ge­schlos­sen. Die Stadt der Träu­me lie­fert ste­ti­ge Eu­pho­rie, ei­ne un­ver­än­der­li­che Ek­sta­se, ver­lo­ckend, er­ha­ben, stumm.
    Na­tür­lich hät­te ich am Ha­fen au­ßer­halb der Stadt, am großen Schei­de­weg zwi­schen Eu­ro­pa und Asi­en, blei­ben kön­nen und mich nicht nach Istan­bul hin­ein­wa­gen müs­sen. Doch ich schul­ter­te den Ruck­sack und nahm den Hüpf er zur Stadt. Wel­cher Un­s­terb­li­che brauch­te Träu­me nö­ti­ger als ich? Für wen wa­ren stän­di­ge In­duk­ti­onsil­lu­sio­nen vor­teil­haf­ter als für mich? Oh, ich war jung und tö­richt und ver­zwei­felt, und ich nahm die ers­te Flucht­mög­lich­keit wahr, die sich mir bot.
    Ich konn­te mein Elend nicht so­fort til­gen las­sen, da die Bet­ten al­le be­legt wa­ren, und ich muß­te zwei Ta­ge war­ten, bis ein Platz für mich frei wur­de. Je­den Mor­gen ent­floh ich dem küh­len Frie­den mei­nes Ho­tels, früh­stück­te mit Kaf­fee und Ku­chen in ei­nem Ca­fe, wan­der­te dann durch die gan­ze Stadt, be­trach­te­te die neu­en Alt­bau­ten und Stra­ßen, blick­te aufs Meer hin­aus und die fer­ne Küs­ten­li­nie. Ich ging den Un­s­terb­li­chen aus dem Weg, da ich halb be­fürch­te­te, daß sie mein Ge­heim­nis er­ken­nen konn­ten, daß sich die häß­li­chen, un­be­sieg­ba­ren Zei­chen des Al­terns be­reits in mein Ge­sicht fra­ßen. Ich hüll­te mich trotz der Hit­ze in haut­en­ge Klei­dung; mein Kopf war im­mer ge­senkt, der Leib stän­dig ge­spannt.
    Als es so­weit war, lag ich nackt auf ei­ner bro­schier­ten Lie­ge und trank den Schlaf­nek­tar aus ei­nem kris­tal­le­nen Kelch. Ich wuß­te, was ge­sch­ah, war ich erst ein­ge­schla­fen: Sie wür­den mich auf der Schweb­couch in die Traum­kam­mer schie­ben, die Schläu­che und Ka­bel des Le­bens­er­hal­tungs­sys­tems an mir be­fes­ti­gen und, wenn al­le Vor­be­rei­tun­gen ab­ge­schlos­sen wa­ren, die Traum­dro­ge in mei­ne Ve­nen lei­ten. Ich war mehr als be­reit.
    Dro­gen­träu­me sind schil­lernd und ein­drucks­voll, aber sie ver­blas­sen rasch. Ich kann mich nicht an die De­tails mei­ner Vi­sio­nen er­in­nern, auch nicht ge­nau dar­an, in wel­ches Zau­ber­land sie mir Zu­tritt ge­währ­ten. Ge­blie­ben ist nur das Bild ei­ner schim­mern­den Welt der Wun­der, ei­nes exo­ti­schen Gar­tens mit Früch­ten aus Phan­ta­sie und ima­gi­nären Ge­schöp­fen, ei­nes Eden, das ich er­schaf­fen hat­te und in dem mein Le­ben kei­nen Be­schrän­kun­gen un­ter­wor­fen war. So leicht und an­ge­nehm, den Rest mei­nes Le­bens in die­sem ganz per­sön­li­chen Pa­ra­dies zu ver­brin­gen und mei­nen Kör­per, oh­ne bei Be­wußt­sein zu sein und es zu füh­len, in den Tod hin­über­glei­ten zu las­sen. Ei­ne so sü­ße und reiz­vol­le Vor­stel­lung.
    Doch ich konn­te mich nicht da­zu über­win­den. Wie in­ten­siv die Ek­sta­se auch sein moch­te, wie ver­lo­ckend die Vi­sio­nen wa­ren – ir­gend­ei­ne schril­le, re­bel­lie­ren­de Stim­me in mei­nen Ge­dan­ken rief mir zu, es sei nur ein Traum, nicht wirk­lich, oh­ne Sub­stanz. Ei­ne Il­lu­si­on. Ein Trug­bild. Und ich konn­te sie nicht er­sti­cken, die Stim­me, die mich durch die La­by­rin­the mei­ner Vi­sio­nen ver­folg­te.
    Nach Ab­lauf mei­ner achtund­vier­zig Stun­den lös­ten sie mich aus dem Ver­bund der Le­bens­er­hal­tungs­sys­te­me, hol­ten mich aus den Träu­men in die Wirk­lich­keit zu­rück und frag­ten, ob ich er­neut das Land der Vi­sio­nen be­su­chen woll­te. Ich lehn­te dan­kend ab, schnall­te mir den Ruck­sack um und kehr­te Istan­bul und den Träu­men den Rücken.
    Aber nicht, weil das mein Wunsch ge­we­sen wä­re.
     

12
     
    Ich steu­er­te mei­nen ab­ge­nutz­ten Wa­gen rück­wärts die Zu­fahrt­rin­ne hin­ab in die Ga­ra­ge hin­ein und ent­deck­te einen Hüpf er, der an der Tür ge­parkt war. Selt­sam. Wer soll­te mich hier be­su­chen? Dann sah ich das Chrom, die Del­len in den hin­te­ren Trag­flä­chen, die

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