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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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bist völlig ungeschützt.“
    „Ich habe einen Stunner. Und meinen Verstand. Weißt du, wenn man gewisse Ergebnisse erzielen will, dann muß man die Risiken abschätzen und akzeptieren. Oder man begnügt sich mit etwas von geringerer Bedeutung, mit etwas Zweitrangigem. Natürlich, das Gerätetauchen in Naßanzügen ist gefährlicher, als in einem kleinen, vollkommen abschirmenden Kraftfeld herumzuschwimmen. Aber wenn man etwas erreichen will, dann kann man keine Ergblasen und Servos benutzen, dann muß man sich Sauerstoffflaschen umschnallen und selbst raus und die Sache gleich beim erstenmal richtig anpacken.“
    Erst als ich sie wieder anblickte, merkte ich, wie heftig und leidenschaftlich meine Worte geklungen hatten. Ihre Gesichter drückten jene leidende Aufmerksamkeit aus, die in den Mienen von Leuten zu beobachten ist, die sich aus notgedrungener Höflichkeit ihrem Gastgeber gegenüber Unsinn anhören müssen. Ich seufzte, sagte mir, ich hätte es besser wissen müssen, und stand auf, um ins Haus zu gehen. Die Sonne war ganz hinter dem Horizont versunken, und das letzte Glühen der Dämmerung verblaßte nun rasch zur Dunkelheit der Nacht.
    „Ich muß morgen früh raus. Denkt daran, das wir morgen um neun an Bord erwartet werden, ja?“
    Sie versicherten mir, rechtzeitig bereit zu sein, und wünschten mir eine gute Nacht. Ich ging ins Haus, noch immer verärgert.
     

13
     
    Als ich Mitte Zwanzig war, steckte ich, zum erstenmal in meinem Leben vollkommen allein, in der Forschungsstation, die in endlosem Orbit die Sonne umkreist. Nur darauf bedacht, jenen einen Ort des ganzen Universums zu meiden, an dem ich wirklich gern gewesen wäre. Immer auf der Flucht vor dem einen Menschen, nach dessen Gesellschaft ich mich sehnte. In meinen egodramatischen Momenten nannte ich es Schicksal, Bestimmung, Fluch der Sterblichkeit. Kam ich auf den Boden der Wirklichkeit zurück, wußte ich, daß es Feigheit war. Doch lexikographische Unterscheidungen blieben wirkungslos auf die Station oder meine Arbeit. Mit schwindelerregender Geschwindigkeit wirbelte ich um die Sonne und nahm eine Messung nach der anderen vor. Ich unterteilte die Zeit in schlichte Abschnitte, die ich mit schlicht arrangierten Tätigkeiten ausfüllte. Jeden Tag funkte ich meine Berichte zum Mond. Von der Orbitalstation aus wurden sie von einer langen Relaiskette an den Empfänger in Johns-Rastegar weitergeleitet, und eine halbe Stunde später traf die Antwort von der Basis ein. Eine direkte akustische Übertragung, die Kommunikation von Stimme zu Stimme, war so nahe der Sonne völlig ausgeschlossen. Die Relaisstationen hatten ohnehin Mühe genug, die vielen Piepser meiner Signale zu empfangen und weiterzuleiten, ohne sie vom statischen Rauschen völlig übertönen zu lassen. Wollte ich mit irgend jemandem sprechen, so konnte ich meine Nachricht aufzeichnen und das Band zu der wenigen Fracht geben, die ich jeden Monat an Bord der Versorgungsfähre hinausschickte. Eine Wartezeit von noch einmal achtundzwanzig Tagen, dann kam das Shuttle mit der Antwort zurück. Aber es gab niemanden, mit dem ich sprechen wollte, und die einzige Stimme, die ich zu hören wünschte, näherte sich inzwischen der Umlaufbahn von Pluto.
    Ich – besser gesagt, die Geräte der Station – hatte den Kurs des Schiffes verfolgt, jenes einen Ortes, nach dem ich solche Sehnsucht hatte. Ich hatte beobachtet, wie es die Sonne umkreiste, dann die Geschwindigkeit erhöhte und durch das Sonnensystem den Sternen entgegenjagte. Angetrieben von Neugier und vielleicht einer subtilen Abart von Masochismus, hatte ich es solange beobachtet, bis es außerhalb des Erfassungsbereichs meiner Instrumente geraten war. Dann versank ich in einer tiefen Depression, die meine Gedanken umwölkte und mich meine Pflichten mit nicht mehr rationaler oder emotionaler Beteiligung erledigen ließ, als das bei einem Roboter der Fall ist. Als ich mich acht Monate später schließlich aus meinem Miasma befreite, jährte sich zum drittenmal der Tag meiner Ankunft in der Station, und ich bekämpfte die verbleibende Schwermütigkeit damit, indem ich mein einsames Leben fest entschlossen in ganz bestimmte Bahnen lenkte. Ich stellte mir eine Aufgabe und konzentrierte mich nur noch darauf.
    Ich beschäftigte mich intensiv mit der Immortalität. Schließlich verfügte ich über viel freie Zeit, in der ich nichts anderes anfangen konnte. Und die nötige Motivation für ein solches Studium brachte ich ganz bestimmt mit. Ich

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