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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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hatte – außer meiner eigenen und denen, die auf den Bändern konserviert waren –, war das blecherne und einfältige Geleier des Computers. Und diese verrückt machende Gleichförmigkeit hatte mich so aufgebracht, daß ich ihn sechs Monate nach meiner Ankunft in der Station auf visuelle Datenausgabe programmiert hatte. Das einzige Atmen, das ich vernahm, stammte von mir, wie auch die Schritte nur die meinen waren, die Bewegungen innerhalb der schweigenden, eiförmigen Station. Ich begann mit mir selbst zu sprechen, mit meinem Ich zu diskutieren, zu singen, zu lachen, zu rezitieren. Meine täglichen Übertragungen wurden immer länger, und ich konnte die Antworten kaum mehr abwarten. Ich speicherte Weckaufzeichnungen für mich und begann jeden neuen Bordtag damit, mir selbst guten Morgen zu wünschen und in mein Gesicht zu blicken, das über der Koje schwebte. Und als ich überlegte, die Droge zu nehmen, sagte ich mir, daß ich bereits die eine Hälfte meines Verstandes verloren hatte und es deshalb nicht ganz so schlimm sein konnte, auch noch die andere aufzugeben.
    Zum erstenmal hatte ich die Droge mit Greg Hartfeld zusammen genommen, während jener kurzen, herrlichen Zeit auf dem Mond, nach Paul und vor der Station. Ich würde Greg nie wiedersehen, denn er und seine Freunde waren mit ihrem Raumschiff zu den Sternen unterwegs, und ich hatte ihren Flug durch das Sonnensystem so lange wie möglich verfolgt. In einer sonderbaren Weise war die Droge die letzte Verbindung zu ihm. Das erschien mir wichtig.
    Wenn man sich in einer Halluzination eine äußere Welt erträumen kann, dann auch eine innere. Davon ging ich jedenfalls aus. Ich fastete einen Tag, nur um ganz sicherzugehen, daß die Wirkung der Droge sich voll entfalten konnte, ohne von irgendeinem Bestandteil der synthetischen Nahrung beeinträchtigt zu werden, von der ich lebte. Am nächsten Morgen nahm ich rasch drei Tropfen der Droge mit einem Glas Wasser zu mir – bevor ich meine Meinung ändern, bevor ich mir die alptraumhaften Visionen meiner ersten Traumreise ins Gedächtnis zurückrufen konnte. Ich fokussierte meine Gedanken auf mich selbst, legte mich hin und wartete darauf, daß die Tropfen zu wirken begannen.
    Ich konzentrierte mich auf die Lungen, auf den Luftstrom, der durch die Kehle wehte, das Heben und Senken des Brustkorbs. Es war überraschend einfach, mich auf diese Weise selbst zu beobachten und zu kontrollieren, meine Aufmerksamkeit ganz auf einen bestimmten Punkt meines Körpers zu beschränken. Und ich nahm nur noch das Gefühl meines eigenen Atmens wahr. So tief und umfassend war meine Konzentration, daß ich den Punkt übersah, an dem ich den Übergang vollzog und meine Lungen nicht mehr nur fühlte, sondern mich mit ihnen identifizierte. Als das geschah, erschien es mir ganz selbstverständlich.
    Ich schmeckte die Komplexität meiner atmenden Lunge, dann schob ich mich weiter, bahnte mir einen Weg in die Blutgefäße hinein und benutzte sie als die Autobahnen meiner weiteren Entdeckungsreise. Ich erforschte Herz, Verdauungstrakt, verschiedene andere Organe, kroch in die Kapillaren und von dort aus zu den Zellen. Dann machte ich einen Abstecher zur Wirbelsäule und kletterte hinauf zum Hirn, in dessen Windungen ich schmeckte, tastete, beobachtete und fühlte. Als ich spürte, daß die Wirkung der Droge nachließ, stand ich auf und nahm drei weitere Tropfen ein. Und drei Stunden später noch einmal, und danach wieder – bis zwanzig Stunden vergangen waren. Der Computer plapperte und schwatzte hysterisch, auf den Anzeigeschirmen wogten die farbigen Symbole wild durcheinander und pulsierten das ganze Spektrum hinauf und hinunter, und das Fläschchen war leer.
    In Johns-Rastegar war man außer sich vor Sorge. Ich hatte eine ganze Übertragung versäumt, ein unerhörter Vorgang, und ein ganzer Datenberg wartete darauf, durch den Äther zum Empfänger gepiepst und gebrummt und gesummt zu werden. Ich versicherte der Basis, es ginge mir nach wie vor bestens, gab die gesammelten Informationen in den Sendespeicher und injizierte sie dann mit einem Tastendruck in die Relaiskette, die sie zum Mond weiterleitete. Nachdem ich dann die sonstigen Routineaufgaben erledigt und alles in Ordnung gebrachte hatte, ging ich daran, die Informationen auszuwerten, die ich während meiner inneren Entdeckungsreise gesammelt hatte.
    Nichts Neues. Nichts, das nicht bereits in meinen Speicherbändern verzeichnet gewesen wäre. Mit einer Ausnahme. Ich hatte noch

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