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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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immer keine Ahnung, warum dieser Eiterherd des Zerfalls, der mich überallhin begleitete, hartnäckig darauf bestand zu altern; ich hatte noch immer keine vernünftige und einleuchtende Erklärung, warum mir der Tod drohte. Die mir eigene Ansammlung von Fett und Gewebe und Talg und Knochen war mir noch immer ein Buch mit sieben Siegeln, genau wie vor dem Trip. Und ich war verbittert und verärgert und voller Groll.
    Dann begann sich mein Magen über Leere zu beschweren, und ich stellte fest, daß ich ihn richtig beobachten konnte. Ich spürte jede eindringliche Kontraktion und konnte die Absonderungen und Sekretionen ertasten, die sich darin ansammelten.
    Wunderbar, dachte ich, als ich planlos einige Tasten auf dem Terminal des Zubereiters betätigte. Toll. Nicht nur, daß die ganze verdammte Sache aus dem Leim gehen muß – ich bekomme auch noch einen Logenplatz, um zuzusehen.
    Es dauerte nicht lange, bis die ganze verdammte Sache tatsächlich aus dem Leim zu gehen begann und ich begriff, was die Gabe der direkten Beobachtung bedeutete. Ich konnte verschiedene organische Komplikationen vorhersehen, indem ich sie im Frühstadium entdeckte, und ich war in der Lage, ihnen durch rechtzeitige und genau abgezielte Behandlung vorzubeugen. Doch das empfand ich als einen nur geringen Trost angesichts des mir bevorstehenden Todes.
     

14
     
    Als ich in mein Schlafzimmer trat, packte mich die Pein mit einer Zange aus purem Feuer. Sie brannte mit solcher Intensität in meinem Rücken, daß mir der Atem stockte und ich an der Tür nach Halt suchte. Ich war gewarnt worden – der Zwischenfall auf dem Dachbalkon letzte Nacht, die leichten Stiche, die ich während des ganzen Abends ignoriert hatte. Ich hätte darauf achten sollen, doch jetzt war es viel zu spät für diese Einsicht. Ich sank auf die Knie, unterdrückte einen Aufschrei und wartete darauf, daß die erste große Welle verebbte. Es schien eine ganze Ewigkeit zu dauern, und als sie versickert war, kam ich taumelnd und in Schweiß gebadet auf die Beine und ließ mich aufs Bett sinken. Ich lag mit dem Gesicht nach unten auf der festen Wassermatratze und umklammerte die Bettkanten, während sich tief in meinem Rücken bereits die nächste und größere Woge auftürmte. Und dann flutete sie durch mich hindurch, marterte mein Kreuz, ergoß sich über die Muskeln und Bänder des Unterleibs und unterwarf sie rasch aufeinanderfolgenden Krämpfen. Die Qual verursachte eine sonderbare Dualität: Ein Teil von mir lag von Schmerzen erfüllt auf dem Bett, und ein anderer beobachtete mit fast klinischer Sachlichkeit die Verhärtungen der Muskeln, die plötzlichen Kontraktionen der Gebärmutter, die zunehmende Dehnung der Bänder, die Knoten und Krämpfe, die dem ersten Schmerz folgten und neuen bewirkten. Der gemarterte Teil, der Teil, der in heißer Pein schwamm, verlangte eine Ruhepause, flehte um Linderung. Doch ich war nicht in der Lage, meinen Körper zu kontrollieren; ich konnte nur beobachten und fand keine Möglichkeit, mich ins Zentrum der Qual hineinzutasten und den Schmerz aufzulösen. Die zweite Welle versiegte. Ich zitterte am ganzen Leib, und meine Finger waren beinahe gefühllos, so fest hatte ich die hölzernen Bettkanten umklammert. Der Anfang, dachte ich vor dem nächsten Anfall. Die Metamorphose zur Heuschrecke. Dann wurde ich erneut überschwemmt.
    Als die Gischt der dritten Woge verdunstet war, stellte ich fest, daß Paul neben mir auf dem Bett saß, und seine Hände streichelten meine bebenden Schultern.
    „Tia? Tia? Ist mit dir alles in Ordnung?“
    „Nein.“
    „Soll ich einen Arzt rufen?“
    „Nein! Nein, er würde nur … nein, er könnte mir nicht helfen.“
    „Bist du sicher?“
    „Paul, um Himmels willen, ruf keinen Arzt!“ Die nächste Welle flutete mir entgegen. „Bitte, glaub mir einfach, es hat keinen Zweck. Ruf niemanden, bitte …“
    „Kann ich dir dann wenigstens helfen?“
    „Ja. Leg die Hand auf mein Kreuz und drück zu!“ Dann schwieg ich und konzentrierte mich ganz darauf, die Pein zu überstehen. Ich konnte Pauls Hand auf meinem Rücken spüren: Sie drückte hart zu, und die Qual ließ nach – ein bißchen, nicht viel. Diese Welle trieb mir die Tränen in die Augen, und Ärger und Bitterkeit waren plötzlich weit fort. Paul bearbeitete meinen Rücken und flüsterte:
    „Tia, bitte, nicht schreien, bitte, laß mich einen Arzt rufen, bitte, schrei nicht, Tia, bitte.“
    „Drück nur einfach zu, wenn der Schmerz zurückkommt“,

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