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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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Sonnenschein geboten. Und ich würde es nicht zulassen, daß ihr Ekel und ihre Abscheu diesen einen letzten Lichtblick verfinsterten. Wie Schatten glitten sie an den Grenzen meines neuen Universums entlang, und ich spürte keine Veranlassung, sie hineinzulassen.
     

23
     
    Drei Tage nach meiner Ankunft in der Clarke-Station, als wir beide den Entschluß faßten, daß ich etwas länger bleiben sollte, zog ich in Greg Hartfelds Apartment ein. Ich nahm eine Arbeit als Strecken Wärterin bei der Transportgesellschaft an. Einmal in der Woche gingen Greg und ich hinaus, gefolgt von Servos und Fuhrschlitten, schritten die Strecke ab, flickten und schweißten und polierten den harten Plaststahl, bis überhaupt keine Naht mehr zu sehen war. Einmal in der Woche wanderten wir durch das Innere der Röhre. Einmal in der Woche unternahmen wir weite Inspektionsflüge mit dem Hüpf er, und einmal in der Woche machten wir uns an die Erledigung des Papierkrams. Alle zwei Wochen überwies die Gesellschaft den ansehnlichen Lohn auf unser Konto – die Gesellschaft zahlte gut, und wir erhielten darüber hinaus Gefahrenzulagen, wenn wir die Außenstrecke abschritten. Währenddessen sammelten sich meine Bezüge vom Behandlungszentrum still und leise auf einem separaten Konto in Bern an. Ich hatte Greg nichts davon erzählt, und ich würde es auch nicht tun. Ebensowenig wie über die Gründe dieser Zahlungen. Und dieses Geheimnis war das einzige Trennende in unserem gemeinsamen Leben.
    Wir teilten unsere Arbeit, unser Zuhause, unsere Körper – und das hatte Bande zwischen uns geschaffen, die manchmal zu einer uralten Leidenschaft führten: dem Bedürfnis, dem Geliebten die Ersatz-Unsterblichkeit eines Gedichts oder Bildes zu schenken, die von Versen oder einer Skulptur. Wenn ich Greg betrachtete, wurde das funkelnde und strahlende Venedig, das in meiner Erinnerung haftete, zu einem Vergnügungspark für Kinder, und die Liebe, die ich für Paul empfunden hatte, verblaßte. Greg war ein unerschöpfliches Reservoir an Kraft und Aufregung. Selbst wenn er richtig zornig war und sich über etwas aufregte (und manchmal konnte er sich erstaunlicherweise über die unbedeutendsten Dinge ärgern), konnte ich mir keinen Platz vorstellen, an dem ich lieber gewesen wäre.
    Einen großen Teil unserer Freizeit verbrachten wir zusammen mit Gregs Freunden, und meine ersten Eindrücke von ihnen änderten sich nicht. Sie schienen auf eine Weise zu leben, die meine Erfahrung überstieg. Es war, als sei ihnen die Synthese zweier Kulturen gelungen, als sei die Immortalität kein Endpunkt oder erreichtes Ziel für sie, sondern ein Sprungbrett zur Entdeckung neuer Dinge. Sie teilten viel von meinem wachsenden Unbehagen in Hinsicht auf die Lebensweise der Unsterblichen, und sie legten detaillierte Karten und Diagramme vor, die die relative Abnahme von Innovationen während der letzen fünfhundert Jahre dokumentierten, den Niedergang in Kunst und Musik, in Wissenschaft und Mathematik. Die Unsterblichen, sagte Najla zornig, hatten sich den bedeutsamsten Fortschritt in der Menschheitsgeschichte zu eigen gemacht und benutzten ihn dazu, weitere Fortschritte für immer zu verhindern. Die Unsterblichen akzeptierten ihre statische Welt, doch diese Leute nicht.
    Meine erste unwillkürliche Assoziation, mit der ich Greg und seine Freunde mit Australien in Verbindung gebracht hatte, fand schließlich eine Erklärung: Es waren die beiden gegenüberliegenden Enden einer breiten Skala. Sie ähnelten sich in ihrer Unzufriedenheit mit dem Mainstream der Immortalitätskultur, der in der Mitte der Skala angesiedelt war, und sie unterschieden sich in den Ausdrucksformen dieser Abneigung. Den Mißgeburten in Australien fehlte es an innerem Zusammenhalt, doch in dieser Gruppe von der Clarke-Station spürte ich einen festen Kern, eine Zweckbestimmung, die ich noch nie zuvor wahrgenommen hatte.
    Nach drei Monaten in der Station zeigten sie mir schließlich diesen Kern. Greg und seine Freunde paßten mich ab, als ich nach einem anstrengenden Tag mit vielen Streckenüberprüfungen die Kuppel betrat. Sie führten mich zu einer im Schatten liegenden Schlucht, die einige Kilometer vom Observatorium entfernt war, und sie zeigten mir das, worum sich all ihre Träume drehten. Hier stand ihr Raumschiff, ein schlanker, polierter Metallpfeil, dessen Spitze blendend hell glänzte. Zwei Stunden lang redeten sie auf mich ein, führten mich vom einen Ende des Schiffes zum anderen, zeigten mir Karten

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