Versunkene Inseln
ich keine Antwort, und deshalb schwieg ich.
„Nun, dann werde ich dir sagen, warum. Weil es pervers ist, weil sie nicht mit mir bumsen würden, nein, sondern nur mit diesem Ding auf meinem Rücken. Kapiert?“
„Und?“
„Und?“ imitierte er verächtlich. „Glaubst du vielleicht, ich hätte ein Monopol auf Scheußlichkeit?“
„Ach Unsinn, Benito.“
„Was also diesen Paul angeht, diesen Wunderknaben – hör mal gut zu, alte Hexe: Was glaubst du wohl, wen er stößt, wenn er zwischen deinen Beinen liegt? Meinst du, er schiebt sein Ding in Tia Hamley rein? Wenn du das glaubst, dann bist du blöd, blöd!“
„Halt den Mund! Benito, das ist wahrscheinlich das letzte Mal, begreifst du nicht? Das allerletzte Mal. Also verdirb mir nicht den Spaß.“
„Du bist ein Dummkopf!“
„Warum regst du dich überhaupt so auf? Es betrifft dich doch gar nicht.“
„Weil wir beide Krüppel sind, sowohl du als auch ich“, zischte er. „Du mußt die volle Last dieses Schicksals tragen, Tia. Den ganzen Schmerz, alles, ohne Selbsttäuschung, ohne Masken.“
„Verdammt, Benito, du bist nur neidisch, das ist alles.“
„Neidisch?“ platzte es aus ihm heraus.
„Natürlich. Du bringst es ja nicht mal fertig, nicht wahr?“
Der Schock, diese Worte auszusprechen, war genauso groß wie der, sie zu hören – uns beiden stockte der Atem.
„Himmel, Benito, es tut mir leid …“
„Du verdammte Hure!“ fauchte er.
„Benito …“
„Du hast deinen Verstand zwischen den Beinen, genau wie die anderen!“
Ich warf den Kalibrierer in den Sessel und sprang über den Rand der rotierenden Plattform. „Kümmere dich nicht um meine Angelegenheiten, ja?“
„Bist du in ihn verliebt, Tia?“ rief Benito.
„Halt den Mund!“ schrie ich zurück, als ich an den glänzenden Generatoren entlangschritt.
„Fühlst du dich wieder jung, wenn er über dir liegt?“
„Halt’s Maul!“
„Was findet er an deinen runzligen Brüsten, Tia?“
„HALTS MAUL!“
„Er läßt die Kerze noch ein bißchen brennen, was?“
„Halt deine verdammte Fresse!“ schrie ich und warf die schwere Tür hinter mir zu. Durch die dicke Täfelung konnte ich widerhallende Rufe hören, aber ob es weitere Beschimpfungen von Benito waren oder nur die Echos unserer Schreie, konnte ich nicht sagen.
Ich zwang mich dazu, langsam durch die Korridore der Ilium zu gehen. Ich schwebte durch Liftröhren hinauf, schritt durch gewölbte Kolonnaden und kletterte archaische Wendeltreppen empor, die sich an die Flanke des Schiffes schmiegten. Schließlich erreichte ich eines der leeren Minarette. Die zwiebelförmige Kristallkammer ganz oben würde zur Astronavigation benutzt werden, doch jetzt war sie leer und still und verlassen. Ich sah aus dem Fenster und betrachtete den Schaum, der hinter dem Heck des Schiffes zurückblieb, rechts von mir. Wir liefen langsam nach Südwesten und schienen die Wellenhaut des Meeres kaum zu berühren. Das letzte Land war vor Tagen über den Rand der Welt hinausgekippt. Wir hätten mit dem ganzen Schiff aufsteigen und eine Stunde nach dem Auslaufen über den Inseln sein können, aber es gab keine Eile – es gab niemals Eile an Bord eines Schiffes, das eine ganze Ewigkeit verschwenden konnte. Und so erstreckte sich vor und hinter uns das Meer; Schaum gleißte im Kielwasser, und die Abendsonne ließ Balken aus Licht durch die Buntglasfenster hinter mir tropfen und sprenkelte den marmornen Boden mit satten Rottönen. Der Wind war warm und angenehm.
„Bist du in ihn verliebt, Tia?“ Verliebt? In Paul? Nein, natürlich nicht. Nicht das Atemstocken und Fehlen von Worten, nicht die plötzliche Euphorie in den Gedanken, nicht die durch die Adern schäumende, blendende Hitze, die ich mit Greg erlebt hatte. Sicher, es gab eine Gemeinsamkeit in beiden Fällen: Bei keinem von beiden hatte ich in meinem Herzen die quälende Sehnsucht empfunden, wenn mein Geliebter nicht bei mir war, die Leere, die mit der Trennung einhergeht. Aber bei Greg hatte mich, abgesehen von jenen letzten Monaten, eine tiefe Ruhe erfüllt, eine absolute Gewißheit der Zusammengehörigkeit, das Wissen, daß die Trennungen, wie kurz oder lang sie auch sein mochten, nur vorübergehend waren, daß unsere Herzen und Seelen eine feste Einheit bildeten. Es bestand kein Grund zu Unruhe oder Furcht. Und bei Paul war diese Ruhe nur ein Resultat von, nun, wenn nicht Gleichgültigkeit, so doch zumindest einer nicht tiefgehenden Leidenschaft. Ich hatte Greg geliebt, ihn
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