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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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sei­nen Na­men, um sich ge­gen­sei­tig Angst zu ma­chen. Ich hat­te er­war­tet, von ei­ner Ab­ord­nung wan­deln­der Alp­träu­me emp­fan­gen zu wer­den, von ei­ner De­le­ga­ti­on aus Hor­ror­ge­stal­ten, und ich zwin­ker­te, konn­te aber in dem grel­len Glanz der un­ter­ge­hen­den Son­ne kei­ne Ein­zel­hei­ten mei­nes Be­glei­ters aus­ma­chen.
    Mei­ne Ta­sche wur­de auf Au­gen­hö­he ge­ho­ben, dann zu ei­ner ein­ge­hen­den Über­prü­fung her­um­ge­dreht und wie­der ge­senkt.
    „Von In­stan­bul? Nun, dann hast du den gan­zen Weg hin­ter dir. Weißt du, wie wir die­sen Ort nen­nen? Quel­len der Ver­damm­nis, Aus­tra­li­en. Es gibt hier ei­ne gan­ze Men­ge von uns, Klei­ne, und du wirst sie al­le ken­nen­ler­nen. Hast du einen emp­find­li­chen Ma­gen?“
    „Ich glau­be nicht.“
    „Gut.“ Wir tra­ten in den küh­len Schat­ten des Ter­mi­nals, und mein Be­glei­ter dreh­te sich lä­chelnd um. Ein feh­len­der Arm, ein rie­si­ges Mut­ter­mal, das sich übers gan­ze Ge­sicht bis zum Hals hin­un­ter er­streck­te, ei­ne ein­zel­ne, dich­te Au­gen­braue, die von ei­ner Schlä­fe zur an­de­ren reich­te. Dunkles Feu­er in den Au­gen. Und, un­ter­halb die­ser Häß­lich­keit, ein Ge­sicht von fast atem­be­rau­ben­der Re­gel­mä­ßig­keit, wun­der­schö­ne Zü­ge. Das Lä­cheln war echt.
    Ihr Na­me war Sal. Sie ließ ihr Ge­sicht so, weil es sich im­mer wie­der zu­rück ver­wan­del­te, wenn sie sich nicht ein­mal im Jahr ei­ner Ope­ra­ti­on un­ter­zog. Warum al­so die gan­ze Mü­he? Ih­ren Arm hat­te sie durch einen Hüp­fer­un­fall ver­lo­ren. Zu­vor war sie Frem­den­füh­re­rin in Lon­don ge­we­sen, und sie hat­te so um­fas­sen­de Kennt­nis­se über die Stadt und ih­re Ge­schic hte, daß ich ihr manch­mal vor­warf, be­stimm­te Din­ge zu er­fin­den. Sie hat­te die Auf­ga­be über­nom­men, Neu­an­kömm­lin­ge in Quel­len der Ver­damm­nis in Emp­fang zu neh­men und je­ne frem­den Un­s­terb­li­chen zu ver­ja­gen, die die hie­si­ge Be­völ­ke­rung für ein Mons­tro­si­tä­ten­ka­bi­nett hiel­ten. Sie nahm mich un­ter ih­re Fit­ti­che, brach­te mich in ih­rem Haus un­ter, in ih­rem Bett. Führ­te mich her­um, stell­te mich vor. Und frag­te nicht, was mei­ne spe­zi­el­le Ent­stel­lung war.
    Und ich lern­te schnell, daß in Quel­len der Ver­damm­nis nie­mand Fra­gen stell­te. Es reich­te, daß man da war; man wur­de so­fort in die Ge­mein­schaft der Aus­ge­sto­ße­nen die­ser Welt auf­ge­nom­men und der In­tim­sphä­re der ei­ge­nen spe­zi­el­len An­ders­ar­tig­keit über­las­sen. Bei ei­ni­gen, wie Sal, war sie of­fen­sicht­lich: feh­len­de Ar­me oder Bei­ne, so schlim­me phy­si­sche Ent­stel­lun­gen, daß sie durch nichts zu ver­ber­gen wa­ren. Die Me­di­zin der Un­s­terb­li­chen war weit fort­ge­schrit­ten, ja, aber es gab im­mer noch Din­ge, die sie nicht hei­len konn­ten oder nicht woll­ten oder die zu be­han­deln sie sich fürch­te­ten. An­de­re tru­gen ih­re Ver­än­de­run­gen im In­nern, und da ich ganz of­fen­sicht­lich kei­ne kör­per­li­chen Schä­den auf­wies, rech­ne­te man mich den Ver­rück­ten zu. Das traf die Sa­che nur zu ge­nau.
    Ei­ne öde Wüs­te, Mus­ter in­ner­halb von Mus­tern. Ei­ne Grup­pe von Men­schen, die eif­rig dar­auf be­dacht war, die Le­bens­wei­se der Un­s­terb­li­chen über den Hau­fen zu wer­den. Die an­de­ren nann­ten sie die Sek­te der Ewi­gen Mons­ter, und un­ter ih­rer äu­ße­ren Er­schei­nung wur­den sie im­mer hilflo­ser und ver­zwei­fel­ter. Sie ver­brach­ten ih­re Zeit da­mit, Slo­gans auf Pa­pier­blät­ter zu schrei­ben, mit de­nen sie al­le zur Ver­fü­gung ste­hen­den Wän­de ih­res trost­lo­sen Dor­fes be­pflas­ter­ten. Das Pa­pier trock­ne­te und zer­riß bei­na­he un­mit­tel­bar nach dem An­kle­ben, und die Ge­bäu­de wa­ren mit Fet­zen von un­le­ser­li­chen Sprü­chen be­deckt. Ich frag­te Sal, wie lan­ge sie schon hier sei­en, und sie zuck­te nur mit den Ach­seln. Di­rekt au­ßer­halb der Ort­schaft be­fand sich ei­ne Ge­mein­de, die von ei­nem Fa­na­ti­ker re­giert wur­de, der sei­ne Zeit da­mit ver­brach­te, sei­ne apa­thi­schen

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