Versunkene Inseln
Kinder machten von nichts Gebrauch. Warum sollten sie auch? Es waren Kinder von Unsterblichen; ihnen war der gleiche Unterricht erteilt worden, den auch ich als Kind erlebt hatte. Und man hatte sie ins Land des schwarzen Mannes verbannt, der Hölle selbst ausgeliefert.
Sie brachten sich gegenseitig um.
Ich konnte keine Kinder haben – dafür hatten sie in Südafrika gesorgt. Um die genetische Reinheit zu erhalten, wie sie mir erklärten. Und schließlich könne es kaum meine Absicht sein, mein Kind mit der gleichen Situation zu konfrontieren, der ich mich gegenübersah.
Zum ersten und einzigen Mal war ich nun erleichtert darüber. Ich habe die Kinderabteilung nie wieder besucht.
Ich begleitete Sal überallhin. Ich beobachtete und sah mich um und versuchte, jemanden zu finden, der in einer ähnlichen Lage war wie ich – oder, wenn das nicht möglich war, einen Platz inmitten der Gemeinschaft aus menschlichem Strandgut, an dem ich mein Leben einrichten konnte. Keine Bibliotheken. Keine Laboratorien. Keine Schulen, bis auf die ungenutzten Zimmer in der Kinderabteilung. Ein Friedhof, ja – aber hier starb niemand eines natürlichen Todes. Sie töteten sich selbst – oder gegenseitig, was seltener vorkam. Sie starben an ihren Leiden oder Verunstaltungen, nicht infolge einer Alterung. Es waren Monster, aber unsterbliche Monster, und das Gefühl ihrer Identität und Einheit bildete wie bei den Gesunden einen Schutzwall gegen Veränderungen, Wagnisse und dem Streben nach neuen Dingen. Auch wenn sie aus dem Mainstream der Kultur ausgestoßen waren, die Art ihrer Weltanschauung änderte sich dadurch nicht. Es waren Mißgeburten, ja, aber keine Tiere.
Ich dagegen schon.
Die zärtliche und leidenschaftliche Sal hielt mich in ihrem Arm und preßte mein Gesicht an ihre Brust, wenn ich weinte. Sie nahm an, es fiele mir nur schwer, mich an das Leben hier zu gewöhnen, an die Menschen, an meine eigene immerwährende Andersartigkeit. Ich würde damit fertig werden, versicherte sie mir, und ihre Finger fuhren sanft durch mein dichtes Haar. Es käme alles in Ordnung. Ich klammerte mich an sie, bis ich zu zittern aufhörte, bis ich wieder sprechen und ihr sagen konnte, daß ich gehen müsse.
Sie glaubte mir nicht, und als ich sie schließlich überzeugte, stand sie auf, trat von meinem Bett fort, blieb an der Tür stehen und starrte mich mit blitzenden Augen an.
„Du kommst zurück“, sagte sie kühl. „Feigling.“
Feigling, dachte ich. Und nahm die Fähre nach Melbourne, nach Beijing, nach Diablo, zum Pol, zum Mond.
17
Als Jenny ankam, waren wir gerade dabei, das Haus dichtzumachen. Paul stand auf dem Balkon und reichte mir die Latten, während ich auf den Simsen der großen Fenster balancierte und die Querriegel sorgfältig vor den heruntergelassenen Rolläden befestigte. Er hatte einen Blick auf die gut zehn Meter unterhalb der Fenster liegenden Felsen geworfen und von weitergehenden Hilfestellungen abgesehen. Als er mir die Latten hinterherschleppte, fragte er mich, ob es nicht einfacher sei, rund ums Haus Abweiser zu installieren. Natürlich war das einfacher, aber es paßte nicht, es war irgendwie nicht richtig. Er wollte wissen, warum nicht. Ich versuchte es ihm zu erklären, ihm die Sache mit dem Rotholz und den Buntglasfenstern darzulegen, mit den Massivmöbeln und der antiquierten Küche; ich versuchte ihm klarzumachen, daß es richtig sei, wenn die Dinge das waren, was sie darstellten. Er begriff es nicht, und schließlich gab ich auf. So fuhr er also geduldig damit fort, mir die Latten zu reichen, und ich verriegelte damit die Fenster. Einmal blieb seine Hand kurz auf meinem Oberschenkel liegen, bevor er nach einer
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