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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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Kin­der mach­ten von nichts Ge­brauch. Warum soll­ten sie auch? Es wa­ren Kin­der von Un­s­terb­li­chen; ih­nen war der glei­che Un­ter­richt er­teilt wor­den, den auch ich als Kind er­lebt hat­te. Und man hat­te sie ins Land des schwar­zen Man­nes ver­bannt, der Höl­le selbst aus­ge­lie­fert.
    Sie brach­ten sich ge­gen­sei­tig um.
    Ich konn­te kei­ne Kin­der ha­ben – da­für hat­ten sie in Süd­afri­ka ge­sorgt. Um die ge­ne­ti­sche Rein­heit zu er­hal­ten, wie sie mir er­klär­ten. Und schließ­lich kön­ne es kaum mei­ne Ab­sicht sein, mein Kind mit der glei­chen Si­tua­ti­on zu kon­fron­tie­ren, der ich mich ge­gen­über­sah.
    Zum ers­ten und ein­zi­gen Mal war ich nun er­leich­tert dar­über. Ich ha­be die Kin­der­ab­tei­lung nie wie­der be­sucht.
     
    Ich be­glei­te­te Sal über­all­hin. Ich be­ob­ach­te­te und sah mich um und ver­such­te, je­man­den zu fin­den, der in ei­ner ähn­li­chen La­ge war wie ich – oder, wenn das nicht mög­lich war, einen Platz in­mit­ten der Ge­mein­schaft aus mensch­li­chem Strand­gut, an dem ich mein Le­ben ein­rich­ten konn­te. Kei­ne Bi­blio­the­ken. Kei­ne La­bo­ra­to­ri­en. Kei­ne Schu­len, bis auf die un­ge­nutz­ten Zim­mer in der Kin­der­ab­tei­lung. Ein Fried­hof, ja – aber hier starb nie­mand ei­nes na­tür­li­chen To­des. Sie tö­te­ten sich selbst – oder ge­gen­sei­tig, was sel­te­ner vor­kam. Sie star­ben an ih­ren Lei­den oder Ver­un­stal­tun­gen, nicht in­fol­ge ei­ner Al­te­rung. Es wa­ren Mons­ter, aber un­s­terb­li­che Mons­ter, und das Ge­fühl ih­rer Iden­ti­tät und Ein­heit bil­de­te wie bei den Ge­sun­den einen Schutz­wall ge­gen Ver­än­de­run­gen, Wag­nis­se und dem Stre­ben nach neu­en Din­gen. Auch wenn sie aus dem Main­stream der Kul­tur aus­ge­sto­ßen wa­ren, die Art ih­rer Welt­an­schau­ung än­der­te sich da­durch nicht. Es wa­ren Miß­ge­bur­ten, ja, aber kei­ne Tie­re.
    Ich da­ge­gen schon.
    Die zärt­li­che und lei­den­schaft­li­che Sal hielt mich in ih­rem Arm und preß­te mein Ge­sicht an ih­re Brust, wenn ich wein­te. Sie nahm an, es fie­le mir nur schwer, mich an das Le­ben hier zu ge­wöh­nen, an die Men­schen, an mei­ne ei­ge­ne im­mer­wäh­ren­de An­ders­ar­tig­keit. Ich wür­de da­mit fer­tig wer­den, ver­si­cher­te sie mir, und ih­re Fin­ger fuh­ren sanft durch mein dich­tes Haar. Es käme al­les in Ord­nung. Ich klam­mer­te mich an sie, bis ich zu zit­tern auf­hör­te, bis ich wie­der spre­chen und ihr sa­gen konn­te, daß ich ge­hen müs­se.
    Sie glaub­te mir nicht, und als ich sie schließ­lich über­zeug­te, stand sie auf, trat von mei­nem Bett fort, blieb an der Tür ste­hen und starr­te mich mit blit­zen­den Au­gen an.
    „Du kommst zu­rück“, sag­te sie kühl. „Feig­ling.“
    Feig­ling, dach­te ich. Und nahm die Fäh­re nach Mel­bour­ne, nach Bei­jing, nach Dia­blo, zum Pol, zum Mond.
     

17
     
    Als Jen­ny an­kam, wa­ren wir ge­ra­de da­bei, das Haus dichtzu­ma­chen. Paul stand auf dem Bal­kon und reich­te mir die Lat­ten, wäh­rend ich auf den Sim­sen der großen Fens­ter ba­lan­cier­te und die Quer­rie­gel sorg­fäl­tig vor den her­un­ter­ge­las­se­nen Rol­lä­den be­fes­tig­te. Er hat­te einen Blick auf die gut zehn Me­ter un­ter­halb der Fens­ter lie­gen­den Fel­sen ge­wor­fen und von wei­ter­ge­hen­den Hil­fe­stel­lun­gen ab­ge­se­hen. Als er mir die Lat­ten hin­ter­her­schlepp­te, frag­te er mich, ob es nicht ein­fa­cher sei, rund ums Haus Ab­wei­ser zu in­stal­lie­ren. Na­tür­lich war das ein­fa­cher, aber es paß­te nicht, es war ir­gend­wie nicht rich­tig. Er woll­te wis­sen, warum nicht. Ich ver­such­te es ihm zu er­klä­ren, ihm die Sa­che mit dem Rot­holz und den Bunt­glas­fens­tern dar­zu­le­gen, mit den Mas­siv­mö­beln und der an­ti­quier­ten Kü­che; ich ver­such­te ihm klarzu­ma­chen, daß es rich­tig sei, wenn die Din­ge das wa­ren, was sie dar­stell­ten. Er be­griff es nicht, und schließ­lich gab ich auf. So fuhr er al­so ge­dul­dig da­mit fort, mir die Lat­ten zu rei­chen, und ich ver­rie­gel­te da­mit die Fens­ter. Ein­mal blieb sei­ne Hand kurz auf mei­nem Ober­schen­kel lie­gen, be­vor er nach ei­ner

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