Versunkene Inseln
Untertanen zu beschimpfen. Er hielt ihnen Predigten aus selbstverfaßten religiösen Büchern, schuf ein totales philosophisches Durcheinander, dem seine Jünger geistesabwesend lauschten, während sie im Staub hockten und ihren Schorf oder den des Nachbarn betasteten. Sal und einige andere brachten ihnen Lebensmittel aus dem Dorf, schleppten sie ins Hospital, wenn es nötig war, und begruben die Gestorbenen. Der Fanatiker schien von all dem nie etwas zu vermerken.
Das Hospital war noch weitaus weniger zu ertragen als das Dorf, und nachdem ich es einmal mit Sal besucht hatte, weigerte ich mich, nochmals hinzugehen. Es schien nicht so sehr ein Ort der Rekonvaleszenz zu sein als vielmehr ein Schmelztiegel aus Warten, Krankheiten und Trübsinn. Die Ärzte waren alle von Bern hierher versetzt: Für sie kam die Abkommandierung nach Quellen der Verdammnis einer Strafe gleich, und sie machten keinen Hehl aus ihrem Ekel. Einer von ihnen nahm mich zur Seite und bot mir eine Flasche Bier dafür an, wenn ich mit ihm ins Bett stiege. Sal brach ihm den Arm, und als er am nächsten Tag fortging, schrie er noch immer. Wahrscheinlich glaubte er, ihre Entstellung sei ansteckend.
Die Kinderabteilung war am schlimmsten. An jenem Tag hatten Sal und ich vier Neuankömmlinge aufgelesen: einen Mann, der in einem Durcheinander aus Angstzuständen und Depressionen gefangen war, eine Frau mit dem trüben Glanz des Wahnsinns in ihren Augen und zwei Kinder. Wir brachten den depressiven Mann zu einer Herberge und die verrückte Frau zur Gemeinde außerhalb der Ortschaft, wo sie sofort in tiefe Apathie versank. Ich saß in dem heruntergekommenen Hüpfer und hielt die Kinder in den Armen. Der Junge schlief mit an meine Schulter gelehntem Kopf ein. Das Mädchen brachte mir zunächst weniger Vertrauen entgegen, doch dann schließlich berührten seine Lippen meinen Nacken, und es schlief ebenfalls ein. Ich unterdrückte ein Schaudern: Dicke, rosafarbene Narben zogen sich über ihre Gesichter, runzlig und abscheulich. Das rechte Auge des Mädchens war im Narbengrind verschwunden. Die Hände des Jungen waren für immer zusammengepreßt.
„Verbrennungen“, sagte Sal nüchtern, während sie den Hüpf er in Richtung Hospital lenkte. „Wahrscheinlich zu umfassend, als daß man sie ganz hätte heilen können.“
„Aber wenn man sich doch nur ein wenig mehr um sie gekümmert hätte, genug; um die Hände in Ordnung zu bringen oder ein neues Auge zu implantieren …“
Sal zuckte mit den Achseln. „Sie leben. Und das ist alles, was man von den Eltern verlangt: Sie müssen dafür sorgen, daß ihre Kinder am Leben bleiben. Wahrscheinlich fürchteten sie sich sogar vor dem Ergebnis einer entsprechenden Operation.“ Sie warf den schlafenden Kindern einen raschen Blick zu. „Ich kann es ihnen nicht verdenken.“
„Sie haben sie hierher geschickt“, sagte ich, und trotz der grellen Hitze lief es mir kalt über den Rücken. Sal machte sich nicht die Mühe, mir zu antworten. Als wir vor dem dunklen Hospital landeten, hielt ich die Kinder ganz fest an mich gepreßt.
„Laß sie uns mit nach Hause nehmen“, sagte ich. „Ich kümmere mich um sie. Es wird keine Belastung für dich sein; ich bezahle für sie. Jemand sollte sie liebhaben, auch wenn nur wir es sind.“
Doch Sal schüttelte den Kopf und nahm mir die Kinder vorsichtig aus den Armen.
„Sie werden sterben“, sagte sie. „Und hier sind sie dabei wenigstens nicht allein.“
Als ich die Kinderabteilung sah, begriff ich, was sie meinte. Es gab Räume zum Schlafen und zum Spielen, Unterrichtszimmer und Gärten und Höfe, Spielzeug und Bücher, reichhaltiges Essen. Genug, um sie am Leben zu erhalten, genug, um ihr Interesse zu wecken und sie zu bilden. Die
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