Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
Vom Netzwerk:
er­ach­tet und des­halb nicht über­lie­fert hat­te:
     
    Die Blü­te mei­ner Ju­gend, nichts als Reif aus Kum­mer,
    Mei­ne größ­te Freu­de, nur ein Napf vol­ler Pein.
    Mein Er­trag von Korn, nur ein Feld vol­ler Un­kraut,
    Und all mei­ne Ha­be, nur ein hoh­les Ver­spre­chen.
    Der Tag ist vor­über, und doch sah ich kei­ne Son­ne.
    Und nun, da ich le­be, ist mein Le­ben zu En­de.
     
    Chi­diock Tich­bor­ne, an was hast du ge­dacht, als du starbst? Schi­en die Son­ne? Oder war die Stadt ein­gehüllt in dich­ten Ne­bel? War es Früh­ling? Herbst? Som­mer? Win­ter? Wa­ren vie­le Men­schen da oder nur du und dein Hen­ker und die Amts­per­so­nen, die zu­ge­gen sein muß­ten, um dei­nen Tod zu do­ku­men­tie­ren? Hast du dich wi­der­setzt und ge­schri­en, oder bist du ganz still und ru­hig ge­blie­ben? Hast du dich von dei­ner Re­li­gi­on trös­ten las­sen, oder warst du gar nicht gläu­big? Hast du ge­scherzt?
     
    Man ver­nahm mei­ne Ge­schich­te, doch sie wur­de nie er­zählt.
    Mei­ne Frucht ist ge­fal­len, doch mei­ne Blät­ter sind grün.
    Mei­ne Ju­gend ist vor­über, und doch bin ich nicht alt.
    Ich sah die Welt, aber ich ward nicht ge­se­hen.
    Mein Fa­den ist ge­schnit­ten und doch nicht ge­spon­nen.
    Und nun, da ich le­be, ist mein Le­ben zu En­de.
     
    Hast du je­man­den ge­liebt? Wur­dest du von je­man­dem ge­liebt? Kann­test du dei­ne El­tern, und wa­ren sie be­küm­mert? Trau­er­ten Freun­de um dich? Freu­te sich ir­gend je­mand über dei­nen Tod? Mach­te dein Tod einen Un­ter­schied, oder ver­än­der­te er über­haupt nichts? Hast du mit den Hän­den ge­winkt? Oder den Fü­ßen ge­scharrt? Hast du die Bäu­me be­trach­tet oder zum Him­mel hin­auf­ge­se­hen? Hast du vor Angst dei­ne Ho­se be­schmutzt? Hast du dich über­haupt ge­fürch­tet? Was wa­ren dei­ne letz­ten Wor­te? Hast du ge­schri­en?
     
    Ich such­te den Tod und fand ihn im Schoß.
    Ich such­te das Le­ben und sah nur einen Schat­ten.
    Ich schmeck­te die Welt und wuß­te, sie war mein Grab.
    Und jetzt st­er­be ich und ha­be nie ge­lebt.
    Mein Glas ist voll, und doch ist es leer.
    Und jetzt, da ich le­be, ist mein Le­ben zu En­de. {5}
     
    Chi­diock Tich­bor­ne, wenn ich in fünf­zig oder hun­dert Jah­ren st­er­be, dann bin ich in mei­ner Welt ge­nau­so jung, wie du es in dei­ner warst. Das kann mich nicht trös­ten, aber wenn ich an dich den­ke, füh­le ich mich nicht mehr ganz so al­lein.
     

19
     
    Jen­ny war mit dem Hüp­fer di­rekt zur Ili­um wei­ter­ge­flo­gen und hat­te Paul und mir den Dock­hüp­fer über­las­sen. Ich schloß ei­ne der La­ger­ga­ra­gen auf und stell­te mei­nen Wa­gen dar­in ab. Dann flo­gen wir mit der Ma­schi­ne zum Schiff und lan­de­ten ne­ben dem größ­ten Mi­na­rett auf dem Mo­sa­ik des Flug­decks. An ei­ner Sei­te war To­bi­as’ Hüp­fer ge­parkt, und das Ge­päck be­fand sich noch im­mer im In­nern. Jen­ny war nir­gends zu se­hen. Paul zuck­te mit den Ach­seln, hol­te sei­ne Ta­schen aus To­bi­as’ kirsch­ro­ter Ma­schi­ne und schritt auf die Lift­röh­re zu.
    „Wo ist dei­ne Ka­bi­ne?“ frag­te er, als ich ihm folg­te.
    „Drit­te Ebe­ne. Warum?“
    „Nun, es sieht so aus, als ob Jen­ny mich nicht in ih­rer Ka­bi­ne un­ter­brin­gen möch­te …“
    „Warum nicht?“ Ich trat in die Röh­re und preß­te die Zäh­ne zu­sam­men, als sich mir durch den ra­schen Fall bei­na­he der Ma­gen um­dreh­te.
    „Wir hat­ten einen Streit über To­bi­as“, sag­te er glatt, wäh­rend wir hin­ab­san­ken.
    Un­ehr­li­cher Mist­kerl, dach­te ich zor­nig. „Nun, wenn die Ka­bi­ne euch bei­den zu­ge­wie­sen ist, dann wirst du dort un­ter­kom­men müs­sen. Es sei denn, du möch­test mit Gre­ville ei­ne an­de­re Ver­ein­ba­rung tref­fen. Ich bin si­cher, er fin­det et­was Pas­sen­des für dich.“ In Hö­he der drit­ten Ebe­ne ver­ließ ich den Schacht. „Wir tref­fen uns in ei­ner hal­b­en Stun­de auf der Brücke. Die üb­li­che Ein­wei­sungs­re­de vor dem Aus­lau­fen. Man er­war­tet von uns, daß wir sie uns an­hö­ren.“
    Paul sah un­glück­lich aus, sank tiefer und war dann nicht mehr zu se­hen. Ich eil­te zu mei­ner Ka­bi­ne, noch im­mer wü­tend über die Lü­ge.
    Mei­ne Un­ter­kunft war ste­ril

Weitere Kostenlose Bücher